Rz. 10
Die Wirksamkeit einer Erklärungsfiktion erfordert die Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Erklärung durch den Verwendungsgegner innerhalb einer angemessenen Frist und die Übernahme einer Hinweispflicht durch den Verwender. Dass die inhaltliche Angemessenheit nicht dem Maßstab des § 308 Nr. 5 BGB, sondern den allgemeinen Regeln der §§ 307, 138 BGB unterliegt, wurde bereits erwähnt (siehe oben Rdn 1). Die Angemessenheit der Frist soll dem Verwendungsgegner ausreichende Zeit für eine ausdrückliche Willenserklärung geben, um die Fiktion einer Erklärung oder Nichterklärung zu verhindern. Die Angemessenheit richtet sich nach einer objektiven Interessenabwägung und ist einzelfallabhängig. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Fiktionswirkung in der Regel dem Interesse des Verwenders zugutekommen wird. Daher ist eine Mindestfrist von ein bis zwei Wochen zu beachten. Bei dringenden Geschäften kann unter Umständen eine kürzere Frist zulässig sein, bei Erklärungen, die einiger Überlegungen bedürfen, jedoch auch eine längere Frist. Hierfür muss die Verkehrssitte sprechen und das entsprechende Interesse des Verwenders an einer umgehenden Erklärung vorliegen. Verlangt eine Klausel eine unverzügliche oder sofortige Erklärung, ist in der Regel von ihrer Unwirksamkeit auszugehen. Die Fristenregelung muss in den AGB enthalten sein. Die Frist muss noch nicht bestimmt sein; es reicht, wenn auf eine "angemessene Frist" abgestellt und diese dann später mit Fristsetzung konkretisiert wird.
Rz. 11
Die Angemessenheit der Frist bezieht sich auch auf ihre Ausgestaltung. Fristbeginn und Fristende müssen so beschaffen sein, dass die an die Vornahme oder Unterlassung der Handlung geknüpfte Fiktion bewusst und gewollt vom Vertragspartner angenommen oder abgewendet werden kann. Versäumt der Vertragspartner die Frist schuldlos, wird der Verwender nach Treu und Glauben eine nachträgliche Erklärung des Vertragspartners als wirksam akzeptieren müssen.
Rz. 12
Beispiele:
Zwei-Wochen-Frist für Zinsanpassung ist zu kurz; Ein-Monats-Frist für die Genehmigung einer Kontokorrentabrechnung ist ausreichend; Sechs-Wochen-Frist für die Genehmigung einer Rechnung eines Mobilfunkanbieters ist ausreichend; Zwei-Wochen-Frist reicht für die Umschuldung eines Darlehens mit erheblicher Höhe, welches üblicherweise eine grundbuchmäßige Absicherung erfordert, im Allgemeinen nicht aus; Ein-Monats-Frist für die Genehmigung von Änderungen der geltenden Versicherungsbedingungen ist zu kurz; Acht-Wochen-Frist zur Beanstandung von Rechnungsabschlüssen bei Telefonverträgen ist ausreichend.
Rz. 13
Entscheidend für die Wirksamkeit einer Klausel über eine Erklärungsfiktion ist die klauselmäßige Verpflichtung des Verwenders zum Hinweis gegenüber dem Verwendungsgegner. Dieser muss bei Fristbeginn vorliegen, im Zweifel soll die Frist mit dem Hinweis beginnen, §§ 133, 157, 305c Abs. 2 BGB. Der Verpflichtung muss auch ein tatsächlicher Hinweis folgen. Nicht ausreichend ist der Hinweis, wenn der Verwender sich von vornherein nicht durch eine entsprechende Klausel verpflichtet hat, denn mit dem besonderen Hinweis i.S.d. § 308 Nr. 5 Buchst. b BGB ist ein deutlich abgesetzter Hinweis zu Beginn der Frist – und nicht lediglich etwa zu Beginn der Vertragsbeziehung – gemeint. Die Beweislast für den Zugang des besonderen Hinweises liegt grundsätzlich beim Verwender. Der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens geht fehl, wenn sich der Verwendungsgegner trotz erfolgtem Hinweis durch den Verwender auf die Unwirksamkeit der Klausel wegen fehlender Festsetzung der Hinweispflicht beruft. Gerade eine solche Verpflichtung im Vertrag ist gesetzlich vorausgesetzt.
Rz. 14
Die Verpflichtung muss sich zudem auf einen besonderen Hinweis beziehen. Ausreichend ist dabei die Wiedergabe des Gesetzestextes. Bei einer vom Gesetzeswortlaut abweichenden Formulierung ist folgendes zu beachten: der Hinweis hat in einer Art und Weise zu erfolgen, die unter normalen Umständen die Kenntnisnahme sichert und geeignet ist, die Aufmerksamkeit des Verwendungsgegners zu erwecken. Dies ist nicht der Fall, wenn der Hinweis "in einer größeren Summe von Einzelmitteilungen, die üblicherweise nicht allesamt aufmerksam gelesen werden, versteckt" ist oder ohne weitere optische Hervorhebung in einem besonderen Absatz mitgeteilt wird. Erst mit wirksamer Verpflichtung und nach erfolgtem Hinweis bei Beginn der Erklärungsfrist durch den Verwender wird die Frist in Gang gesetzt. Liegt eine wirksame Verpflichtung vor, reicht für den Eintritt der Fiktion auch der Hinweis gegenüber einem Vertreter des Verwendungsgegners oder im Todesfall gegenüber dem Erben. Inhaltlich muss die Klausel die mit der Erklärungsfiktion eintretenden Rechtsfolgen für den Verwendungsgegner und das Widerspruchsrecht aufzeigen. Für den Verwender muss klar sein, welche Erklärung als abgegeben oder nicht abgegeben gilt. Der Hinweis d...