Rz. 8
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 308 Nr. 6 BGB ist, dass nach der Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Erklärung des Verwenders als zugegangen gilt.
1. Grundsätze
Rz. 9
Für gewöhnlich wird insoweit geregelt, dass eine Erklärung des Verwenders als zugegangen gilt, wenn ein bestimmtes Ereignis eingetreten ist, etwa wenn der Verwender ein in der Klausel umschriebenes bestimmtes Verhalten erfüllt hat. So statuieren diverse Klauseln den Zugang beim Empfänger mit Übergabe bei der Post durch den Verwender oder mit Versendung an die letzte bekannte Adresse des Erklärungsempfängers, selbst wenn die Erklärung als unzustellbar zurückkommt.
Rz. 10
Zur Vermeidung von Widersprüchen sind von § 308 Nr. 6 BGB auch solche Bestimmungen erfasst, welche lediglich eine Zugangsvermutung aufstellen. Im Gegensatz zu der Fiktion des Zugangs, welche einen Gegenbeweis des Empfängers völlig ausschließt, lässt die Zugangsvermutung dem Empfänger die Möglichkeit des Gegenbeweises offen. Die Zugangsvermutung stellt damit gegenüber der Zugangsfiktion eine mildere Regelung dar. Wäre diese nicht vom Anwendungsbereich des § 308 Nr. 6 BGB betroffen, so stünde sie als mildere Regelung unter dem umfassenden Verbot des § 309 Nr. 12 BGB, wohingegen die strengere Regelung einer Zugangsfiktion unter den Grenzen des § 308 Nr. 6 BGB sogar zulässig ist. Dies kann jedoch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Unzulässig ist danach etwa die Formularklausel eines Mobilfunkanbieters, wonach bei Nutzung der elektronischen Rechnung diese als zugegangen gilt, wenn sie im persönlichen Service-Bereich des Kunden zur Verfügung steht und der Kunde hierüber per E-Mail informiert wurde. Denn bei Zugrundelegung der kundenfeindlichsten Auslegung kommt es bei dieser Zugangsregelung auf die tatsächliche Kenntnisnahme-Möglichkeit nicht an, sodass ein Zugang auch dann als zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt fingiert würde, wenn der persönliche Service-Bereich aufgrund einer technischen Störung nicht erreichbar ist.
Rz. 11
Ebenfalls vom Verbot des § 308 Nr. 6 BGB erfasst sind Klauseln, in denen der jeweilige Zeitpunkt des Zugangs mit fingiert wird, so zum Beispiel bei einer Bestimmung, welche den Zugang der Erklärung drei Tage nach Übergabe bei der Post vorsieht.
2. Ausnahmen
Rz. 12
Nicht erfasst von § 308 Nr. 6 BGB sind jedoch Kenntnisfiktionen und Abgabefiktionen, da § 308 Nr. 6 BGB schon dem Wortlaut nach nur bei der Fiktion des Zugangs einer Erklärung eingreift. Für die Fiktion der Abgabe von Erklärungen ist § 308 Nr. 5 BGB einschlägig. Die Wirksamkeit von Kenntnisfiktionen ist an §§ 309 Nr. 12, 307 BGB zu messen.
Rz. 13
Ebenfalls nicht der Anwendung von § 308 Nr. 6 BGB unterliegen nach herrschender Meinung und neuerer Rechtsprechung solche Bestimmungen, welche einen vollständigen Zugangsverzicht regeln, indem sie zum Beispiel bestimmen, dass eine Erklärung schon durch ihre Absendung wirksam wird. Diese unterliegen einer Kontrolle durch § 307 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 308 Nr. 6 BGB; in der Regel dürften diese Bestimmungen unwirksam sein.
Rz. 14
Schließlich sind nach herrschender Meinung formularmäßige Empfangsbevollmächtigungen keine Zugangsfiktionen und daher nicht anhand § 308 Nr. 6 BGB, sondern anhand § 307 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Rechtsgedanken des § 308 Nr. 6 BGB zu messen. In Wohnraummietverträgen sind Empfangsvollmachten der Mieter wirksam.