Rz. 13
Individualverträge über die Beweislast (Beweislastverträge) sind grundsätzlich zulässig, sie sind vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 BGB nicht erfasst. Dies gilt auch für formularmäßige Beweislaständerungen, die sich nicht zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders auswirken. § 309 Nr. 12 BGB verbietet jedoch die formularmäßige Änderung der Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils, unabhängig davon, ob es sich um eine gesetzliche oder richterrechtliche Beweislastregelung handelt. Ob eine derartige Änderung der Beweislast vorliegt, ist wie folgt zu ermitteln: Zunächst ist im Hinblick auf die beweisbedürftige Tatsache festzustellen, wem die Beweislast nach den gesetzlichen und richterlich entwickelten Beweislastregelungen obliegt. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Beweislast formularmäßig geändert worden ist. Sodann ist zu untersuchen, ob eine Änderung zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders vorliegt.
Rz. 14
Ergibt sich, dass die formularmäßige Regelung der Beweislast der gesetzlichen oder richterrechtlichen Beweislastregelung entspricht, verstößt sie nicht gegen § 309 Nr. 12 BGB. Ist dagegen eine formularmäßige Beweislaständerung zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders festgestellt, ist nicht entscheidend, wie schwer die Veränderung wiegt. Dabei ist vom Verbot nicht nur eine Beweislastumkehr erfasst, sondern jede Änderung der Beweissituation zugunsten des Verwenders, beispielsweise wenn die Beweisführung des Verwenders erleichtert oder die des Vertragspartners erschwert wird. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass bestimmte Beweismittel ausgeschlossen werden oder der Beweis von der Benutzung bestimmter Beweismittel abhängig gemacht wird. Ebenso liegt eine Beweislaständerung vor, wenn das Beweismaß zugunsten des Verwenders geändert wird. Bei dem Beweismaß handelt es sich um den Maßstab für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich der Feststellung einer Tatsache. Nach der grundsätzlich geltenden Regelung des § 286 ZPO ist eine Behauptung bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, wobei ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit ausreicht. Eine unzulässige Änderung des Beweismaßes würde etwa vorliegen, wenn sich der Verwender bei bestimmten von ihm zu beweisenden Tatsachen formularmäßig einräumen lässt, dass für die Beweisführung abweichend von § 286 ZPO nur eine Glaubhaftmachung gemäß § 294 ZPO erforderlich ist. Einschlägig ist § 309 Nr. 12 BGB auch, wenn AGB einen für den Vertragspartner günstigen Tatsachenvortrag ausschließen, etwa wenn – in Verträgen, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossen wurden – geregelt wird, dass bestimmte Angaben des Verwenders keine zugesicherten Eigenschaften seien, da dadurch dem Vertragspartner bereits der Zugang zum Beweis unmöglich gemacht wird. Eine Beweislaständerung i.S.d. § 309 Nr. 12 BGB liegt auch bei der Klausel "Rückgabe nur gegen Vorlage des Abholausweises" vor, da eine derartige Klausel dem Vertragspartner die Möglichkeit nimmt, den Beweis seines Eigentums durch andere Mittel als durch den Abholausweis zu führen.
Rz. 15
Keine Änderung der Beweislast liegt vor, wenn lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anspruchs abweichend geregelt werden. § 309 Nr. 12 BGB ist keine materiell-rechtliche, sondern eine beweisrechtliche Generalklausel. Bei Vereinbarungen über ein abstraktes Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781 BGB) handelt es sich nicht um Beweislaständerungen; sie sind nicht an § 309 Nr. 12 BGB zu messen. Dies nicht nur deshalb, weil es gesetzlich vorgesehene Rechtsinstitute sind. So ist das abstrakte Schuldversprechen ein Vertrag, der eine neue Anspruchsgrundlage schafft; es stellt keine Vertragsbedingung nach §§ 305 ff. BGB dar. Die Beweissituation im Grundverhältnis wird davon nicht berührt. Gleiches gilt für deklaratorische Schuldanerkenntnisse mit Vergleichscharakter, da dadurch keine Beweisverlagerungen eintreten, sondern lediglich Beweisfragen des Grundverhältnisses durch das materielle Recht beseitigt werden. Bloße Vollstreckungsunterwerfungsklauseln unterfallen ebenfalls nicht dem § 309 Nr. 12 BGB, weil sie keinen Einfluss auf die Beweislastverteilung haben; sie erleichtern lediglich die prozessuale Durchsetzung der Ansprüche des Darlehensgläubigers. Wird in diesem Zusammenhang formularmäßig vereinbart, dass der Gläubiger berechtigt ist, sich ohne weitere Nachweise eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilen zu lassen, ist dies gemäß § 309 Nr. 12 BGB als Beweislaständerung unwirksam. Denn der Gläubiger, der die Zwangsvollstreckung betreiben will, muss im Regelfall die Fälligkeit der Forderung gemäß §§ 795, 726 ZPO nachweisen. Der Verzicht auf weitere Nachweise ist eine Beweislaständerung zum Nachteil des Schuldners. Die gegenteilige Auffassung argumentiert dagegen, dass mit dem völligen Nachweisverzicht ein Titel geschaffen we...