Rz. 1
§ 309 Nr. 12 BGB entspricht dem seinerzeitigen § 11 Nr. 15 AGBG und verbietet Beweislaständerungen zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders. Bedeutung hat diese Klausel daher vornehmlich in Gerichtsprozessen und im Schiedsverfahren. Der für derartige Verfahren zu beachtende allgemeine Grundsatz der Beweislastverteilung lautet: Jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, hat die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen. Der Anspruchsteller trägt somit die Beweislast für die rechtsbegründenden Tatsachen, der Anspruchsgegner trägt sie für die rechtsvernichtenden, rechtshindernden und rechtshemmenden Tatsachen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche vom Gesetz oder der Rechtsprechung aufgestellte Beweislastregeln, etwa die Verteilung der Beweislast nach Verantwortungs- und Risikobereichen. Sie sind nicht nur Ausdruck von formellen Zweckmäßigkeitsregelungen, sondern Ausprägungen des Gerechtigkeitsgebots. Für den Ausgang von Gerichtsentscheidungen sind Beweislastregeln von großer Bedeutung. Eine Änderung der Beweislast wird stets die Rechtsverfolgung für eine Partei erschweren oder verhindern. Daher verbietet § 309 Nr. 12 BGB formularmäßige Änderungen der Beweislast zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders.
Rz. 2
Auf europäischer Ebene regelt die Richtlinie 93/13/EWG in ihrem Anhang Nr. 1q auch Fragen der Beweislastregelungen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die europäische Regelung ist indes nicht deckungsgleich mit § 309 Nr. 12 AGB. Nach Nr. 1q des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG können im nationalen Recht Klauseln für missbräuchlich erklärt werden, mit denen dem Verbraucher die Möglichkeit, Rechtsbehelfe einzulegen oder sonstige Beschwerdemittel zu ergreifen, genommen oder erschwert wird, und zwar insbesondere dadurch, dass er ausschließlich auf ein nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallendes Schiedsgerichtsverfahren verwiesen wird, die ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel ungebührlich eingeschränkt werden oder ihm die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge. Die ersten beiden Regelungsbereiche dürften im deutschen Recht nicht relevant sein. Die Beschränkung oder der Ausschluss der Möglichkeit, Rechtsbehelfe einzulegen, insbesondere durch Verweis auf die ausschließliche Zuständigkeit von Schiedsgerichten, die nicht unter die rechtlichen Bestimmungen fallen, ist bei der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern bisher nicht bekannt geworden, zumal das Schiedsverfahren in §§ 1025 ff. ZPO gesetzlich geregelt ist. Auch die Einschränkung der Beweismittel vor Gericht, also Zeugenbeweis, Sachverständigenbeweis, Inaugenscheinnahme, Urkundsbeweis und Parteivernehmung (vgl. §§ 371 bis 455 ZPO), kommt in Deutschland nicht vor. Nr. 1q des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG regelt in seinem dritten Beispiel den Fall, dass dem Verbraucher die Beweislast auferlegt wird, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge. Betroffen von dieser Vorschrift sind indes nicht nur der Fall der Beweislastumkehr, sondern auch andere Fälle der Beweislaständerungen zum Nachteil des Verbrauchers. § 309 Nr. 12 BGB entspricht daher dem Nr. 1q des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG. Insoweit kann § 309 Nr. 12 BGB als Umsetzung des Nr. 1q des Anhangs der Richtlinie gesehen werden.
Rz. 3
Schon mit der Kodifizierung des AGBG im Jahre 1977 und der Einführung des § 11 Nr. 15 AGBG entschied sich der Gesetzgeber für ein generelles Verbot von Beweislaständerungen zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders. Aber bereits zuvor hatte der Bundesgerichtshof in einer Leitentscheidung von 1964 AGB-Beweislastregelungen als unangemessen und damit unwirksam angesehen, die dem Kunden unter Abweichung der gesetzlichen Vorschriften die Beweislast für Umstände auferlegen, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen.