Rz. 7
§ 309 Nr. 12 BGB verbietet formularmäßige Änderungen der Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils und nennt hierbei zwei Regelbeispiele als Anwendungsfälle: Gemäß § 309 Nr. 12a BGB ist es unzulässig, dem anderen Vertragsteil die Beweislast für Umstände aufzuerlegen, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen und gemäß § 309 Nr. 12b BGB ist es unzulässig, den anderen Vertragsteil formularmäßig bestimmte Tatsachen bestätigen zu lassen.
1. Begriff
Rz. 8
Die Beweislast regelt die Frage, wie der Richter zu entscheiden hat, wenn entscheidungsrelevante Tatsachen – etwa in einem Zivilprozess – streitig sind. Insoweit werden gemeinhin die subjektive und die objektive Beweislast unterschieden; letztlich handelt es sich jedoch nur um zwei verschiedene Sichtweisen derselben Sache. Bei der subjektiven Beweislast geht es um die Frage, welche Partei den Beweis zu führen hat (Beweisführungslast). Die subjektive Beweislast korrespondiert mit der Darlegungslast. In einem Zivilprozess muss die beweisbelastete Partei die entsprechenden entscheidungsrelevanten Tatsachen zunächst substantiiert behaupten (darlegen), damit sie vom Gericht überhaupt als prozessrelevant berücksichtigt werden können. Erst wenn die andere Partei eine dieser Tatsachen bestreitet, wird die Frage des Beweises relevant. Bietet die beweisbelastete Partei insoweit keinen Beweis an, ist zu ihren Ungunsten von der Nichterweislichkeit der behaupteten Tatsache auszugehen. Bei der objektiven Beweislast handelt es sich um die Frage, welche Partei die Folgen zu tragen hat, wenn die behauptete Tatsache nicht mit der erforderlichen Sicherheit durch das Gericht festgestellt werden kann. § 309 Nr. 12 BGB verbietet jegliche Beweislaständerungen zum Nachteil des Vertragspartners des Verwenders, unabhängig von der Einordnung als subjektive oder objektive Beweislast. Allerdings dürfte ein Eingriff in die Beweisführungslast ohne Berührung der objektiven Beweislast kaum vorkommen.
2. Beweislastverteilung
Rz. 9
Neben dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung (jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, hat die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes zu beweisen), gibt es zahlreiche gesetzliche oder richterrechtlich entwickelte Beweislastregelungen. So bestimmt etwa § 280 Abs. 1 S. 1 BGB, dass, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen kann. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt jedoch in diesem Zusammenhang, dass S. 1 des § 280 Abs. 1 BGB nicht gilt, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Der Gesetzgeber verwendet hier konstruktiv die Regel-Ausnahme-Technik, um deutlich zu machen, dass es sich bei § 280 Abs. 1 S. 2 BGB um eine Beweislastregel handelt. Nach der allgemeinen Beweislastregel muss der Gläubiger die Pflichtverletzung durch den Schuldner gemäß § 280 Abs. 1 BGB beweisen. Der Beweis des Nichtvertretens obliegt dagegen dem Schuldner. In gleicher Weise regelt der Gesetzgeber den Verzugseintritt. So bestimmt § 286 Abs. 1 BGB, dass der Schuldner durch Nichtleistung trotz Fälligkeit und Mahnung in Verzug kommt. Diese Voraussetzungen hat der Gläubiger nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen. § 286 Abs. 4 BGB bestimmt demgegenüber als Ausnahme von diesem Grundsatz, dass der Schuldner dann nicht in Verzug kommt, wenn er die Nichtleistung nicht zu vertreten hat. Aus der Verwendung der Regel-Ausnahme-Technik ergibt sich auch hier, dass es sich bei § 286 Abs. 4 BGB um eine Beweislastregel handelt. Der Beweis, dass der Schuldner den Verzug nicht zu vertreten hat, obliegt dem Schuldner.
Rz. 10
Die Regel-Ausnahme-Technik zur Bestimmung der Beweislast verwendet der Gesetzgeber auch in anderer Form, etwa durch die Verwendung des Nebensatzes beginnend mit "es sei denn, (...)". So kann gemäß § 178 S. 1 BGB bei einem Vertragsschluss ohne Vertretungsmacht der andere Vertragsteil den Vertrag widerrufen, es sei denn, dass er den Mangel der Vertretungsmacht bei Abschluss des Vertrags gekannt hat. Den Mangel der Vertretungsmacht muss der andere Vertragsteil beweisen, um seine Widerrufsberechtigung zu erlangen. Die Kenntnis vom Mangel der Vertretungsmacht, die die Widerrufsberechtigung ausschließt, muss im Streitfall dagegen der Vertretene (bzw. dessen Vertreter) beweisen.
Rz. 11
Beweislastregelungen stellen auch gesetzliche Vermutungen dar, nach denen beim Vorliegen bestimmter Tatsachen auf andere Tatsachen geschlossen wird. So wird etwa gemäß § 891 Abs. 1 BGB vermutet, dass die im Grundbuch zugunsten einer Person eingetragenen Rechte dieser zustehen. Nach § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB wird vermutet, dass der Besitzer einer beweglichen Sache Eigentümer ist. Auch die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit von Urkunden gehört hierzu und wird von dem Verbot des § 309 Nr. 12 BGB erfasst.
Rz. 12
Ebenso ist eine Abweichung von den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins