Rz. 2
Formularbedingungen sehen oft vor, dass alle mündlichen Nebenabreden der Schriftform bedürfen. Kommt es dann zum Streit über ergänzende oder abändernde mündliche Vereinbarungen, verweist eine Seite auf die Schriftformklauseln, die andere auf die mündliche Vereinbarung.
Rz. 3
Genauer betrachtet gibt es verschiedene Sachverhalte:
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Die Schriftformklausel soll nachträgliche mündliche Vereinbarungen ausschließen. |
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Es sollen generell mündliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden, auch wenn sie den Vertrag nur ergänzen. |
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Zusagen des Verwenders sollen nur wirksam sein, wenn diese schriftlich bestätigt werden (Bestätigungsklauseln). |
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Änderungen der formularmäßig vereinbarten Schriftformklausel sollen nur schriftlich möglich sein (doppelte Schriftformklausel). |
Rz. 4
Der Bundesgerichtshof ist in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass derartige Schriftformklauseln unwirksam sind und den Vorrang einer individuell getroffenen Abrede nicht aushöhlen können.
Rz. 5
Ist also mündlich etwas Bestimmtes vereinbart worden, so hat dieses auch dann Bestand, wenn eine Schriftformklausel in den AGB enthalten ist. Die Parteien sind autonom, auch diese Klausel mündlich abzuändern.
Rz. 6
Dies gilt auch bei einer doppelten Schriftformklausel, also selbst dann, wenn in AGB vereinbart wurde, dass Änderungen der Schriftformklausel wiederum nur schriftlich möglich sind.
Zutreffend das BAG:
Zitat
"1. Eine vom Arbeitgeber im Arbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung aufgestellte doppelte Schriftformklausel kann beim Arbeitnehmer den Eindruck erwecken, jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei gemäß § 125 Satz 2 BGB nichtig. Das entspricht nicht der wahren Rechtslage. Denn gemäß § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Prinzip des Vorrangs (mündlicher) individueller Vertragsabreden setzt sich auch gegenüber doppelten Schriftformklauseln durch. Eine zu weit gefasste doppelte Schriftformklausel ist irreführend. Sie benachteiligt den Vertragspartner deshalb unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB."
2. Der Vorrang von Individualabreden gemäß § 305b BGB erfasst zwar nicht betriebliche Übungen. Eine zu weit gefasste Schriftformklausel wird aber nicht auf das richtige Maß zurückgeführt, sondern muss insgesamt als unwirksam angesehen werden.“
Rz. 7
Gleichwohl ist Vorsicht geboten: Wer Ansprüche aus einer mündlichen Vereinbarung herleiten möchte, muss dies im Regelfall auch beweisen. Im Streitfall zeigt die Erfahrung, dass mündliche Abreden oft bestritten werden oder erklärt wird, man habe genau das Gegenteil besprochen. Hier hilft nur, eine mündliche Vereinbarung kurz durch sog. kaufmännisches Bestätigungsschreiben möglichst umgehend zu bestätigen ("Hiermit bestätige ich unsere Besprechung von gestern. Wir haben uns darauf geeinigt, dass …"). Wird dem dann nicht kurzfristig widersprochen, gilt der Inhalt des Bestätigungsschreibens als richtig.
Rz. 8
Auch im kaufmännischen Verkehr kann der Vertragspartner, dem die AGB auferlegt wurden, einwenden, man habe sich mündlich geeinigt, unabhängig, ob dies nun im Widerspruch zum Vertrag steht oder diesen nur ergänzt.
Rz. 9
Relevant ist dies insbesondere bei Fragen
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der Vertragsverlängerung, |
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der Übernahme zusätzlicher Kosten, |
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der Feststellung und Beanstandung von Mängeln, |
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einer Neufestlegung der Ausführungsfristen, |
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der Festlegung der Verantwortung. |
Rz. 10
Schriftformklauseln sind zwar rechtlich unwirksam, der Beweis einer bestimmten mündlichen Absprache muss jedoch trotzdem geführt werden.