Rz. 9
Gemäß § 309 Nr. 2a BGB ist eine Bestimmung unwirksam, wenn durch sie das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird.
I. Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 BGB
Rz. 10
Die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 2a BGB erfordert zunächst, dass die Voraussetzungen des § 320 BGB vollständig vorliegen; der Vertragspartner muss also gegen den Verwender das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB erfolgreich einwenden können und nur verpflichtet sein, seine Leistung Zug-um-Zug gegen die vom Verwender geschuldete Gegenleistung zu erbringen. Der Überprüfung einer Bestimmung auf ihre Wirksamkeit bedarf es daher nicht, wenn dem Vertragspartner schon nach dispositivem Recht gar kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB zusteht. Haben Verwender und Vertragspartner in Abweichung zu § 266 BGB formularmäßig vereinbart, dass der Verwender zu Teilleistungen berechtigt ist, richtet sich die Geltendmachung des Leistungsverweigerungsrechts durch den Vertragspartner nach § 320 Abs. 2 BGB.
1. Gegenseitiger Vertrag
Rz. 11
Die Gegenforderung, auf die das Leistungsverweigerungsrecht gestützt wird, muss auf einem gegenseitigen Vertrag beruhen. Gegenseitige Verträge sind Verträge, bei denen jede Partei zu Hauptleistungspflichten verpflichtet ist; jede Leistung wird um der anderen willen geschuldet (do ut des). Dies sind in der Regel Austauschverträge (Kauf, Miete, Werkvertrag etc.). § 320 BGB ist nicht nur auf das Durchführungsstadium anwendbar, sondern auch im Abwicklungsstadium bei Rücktritt und bei Leistungsstörungen.
2. Gegenseitigkeitsverhältnis
Rz. 12
Die Gegenforderung muss zudem mit der Hauptforderung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, also in einem synallagmatischen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Hierzu zählen in der Regel nur Hauptleistungspflichten sowie alle Pflichten, die für die Erfüllung des Vertrags von wesentlicher Bedeutung sind. Ausgenommen vom Anwendungsbereich des § 320 BGB sind in der Regel Nebenleistungspflichten und Schutzpflichten.
3. Vollwirksame und fällige Gegenforderung
Rz. 13
Die Gegenforderung muss des Weiteren vollwirksam und fällig sein. Bei einer Vorleistungspflicht des Schuldners besteht daher kein Zurückbehaltungsrecht. Vorleistungspflichten können in einem bestimmten Maße durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden (vgl. hierzu Rdn 17 ff.).
4. Eigene Vertragstreue
Rz. 14
Ungeschriebene Voraussetzung für die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts ist die eigene Vertragstreue. Der Schuldner kann sich nur dann auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, wenn er selbst am Vertrag festhält. Lehnt er dagegen die Erfüllung des Vertrags vor Erhebung der Einrede grundlos und endgültig ab, so ist ihm die Berufung auf § 320 BGB versagt.
II. Leistungsverweigerungsrecht des Vertragspartners des Verwenders
Rz. 15
Die Bestimmung muss das Leistungsverweigerungsrecht vom Vertragspartner des Verwenders (Kunden/Verwendergegenseite) regeln; eine formularmäßige Erweiterung des Leistungsverweigerungsrechts des Verwenders unterliegt nicht der Kontrolle des § 309 Nr. 2a BGB, sondern der des § 307 BGB. Die Erweiterung des Leistungsverweigerungsrechts des Verwenders auf bedingte oder befristete Ansprüche ist gemäß § 307 BGB nicht wirksam. Zulässig ist jedoch die Erweiterung auf nicht konnexe Forderungen des Verwenders.
III. Ausschluss oder Einschränkung
Rz. 16
Weitere Voraussetzung für die Anwendung des § 309 Nr. 2 BGB ist, dass die Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Leistungsverweigerungsrecht des Vertragspartners ausschließt oder einschränkt. Ein Ausschluss bedeutet, dass der Vertragspartner das Leistungsverweigerungsrecht gar nicht mehr geltend machen kann; eine Beschränkung des Leistungsverweigerungsrechts liegt bereits dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 320 BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen verschärft werden. Letzteres ist beispielsweise der Fall, wenn die Geltendmachung von Leistungsverweigerungsrechten von der Einhaltung von Anzeigefristen oder der Form der Anzeige abhängig gemacht wird. Unwirksam ist eine Klausel, die Leistungsverweigerungsrechte darauf beschränkt, dass sie nur wegen anerkannter oder rechtskräftig festgestellter Forderungen geltend gemacht werden können. Wird dem Kunden formularmäßig untersagt, bei Fehllieferungen Schecksperrungen vorzunehmen, ist dies unwirksam. Eine Abbedingung des § 266 BGB durch die Klausel "Teillieferungen und Teilabrechnungen sind zulässig" ist gegenüber Verbrauchern unwirksam, da ihnen die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB hinsichtlich der ausstehenden (Gesamt-)Lieferung genommen würde. Da die bei Verbrauchergeschäften häufig verwendeten Klauseln "zahlbar sofort rein netto/ohne Abzug/ohne Garantienachweis" auf eine sofortige Zahlungspflicht des Vertragspartners schließen lassen und ihn daher davon abhalten könnten, seine ihm an sich zustehenden Rechte geltend zu machen, s...