Rz. 20
Vorleistungsklauseln sind nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur zulässig, sofern für sie ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt und die berechtigten Interessen des Kunden gewahrt werden.
Rz. 21
Die Rechtsprechung hat nach diesen Grundsätzen Vorleistungsklauseln im Rahmen von Kaufverträgen über Küchenmöbel und Elektrogeräte für unwirksam erklärt, die eine Sicherheitsanzahlung des Käufers in Höhe von 20 % vorsahen, wenn keine Sonderanfertigung geschuldet ist. Unwirksam ist eine in einem Neuwagenkaufvertrag enthaltene Klausel, die bestimmt, dass der Kaufpreis bei Übergabe – spätestens jedoch acht Tage nach Zugang der schriftlichen Bereitstellungsanzeige – und Aushändigung oder Übersendung der Rechnung fällig ist. In Bauverträgen sind Vorleistungsklauseln unwirksam, die einen unwiderruflichen Überweisungsauftrag oder eine Bankgarantie für die einzelnen Raten vorsehen. Bei einem Werkvertrag kann der vorleistungsverpflichtete Unternehmer zwar gemäß § 632a BGB von seinem Vertragspartner Abschlagszahlungen verlangen, jedoch darf er seine eigene Vorleistungspflicht nicht dadurch aushöhlen, indem er formularmäßig übermäßig hohe Abschlagszahlungen verlangt und somit durch die Hintertür entgegen der gesetzlichen Wertung eine Vorleistungspflicht des Vertragspartners regelt. So ist eine Klausel unwirksam in einem Vertrag über die Montage von Fenstern, nach der die Bezahlung des Warenwerts der Fenster (95 % des Werklohns) bei Anlieferung und damit noch vor der Montage zu erbringen war. Unwirksam ist auch eine Klausel in einem Fertighausvertrag, nach der 14 Tage nach der (Roh-)Montage des Hauses 90 % des Werklohns ohne Rücksicht auf den Umfang der tatsächlich erbrachten Bauleistungen zur Zahlung fällig sind. Die in einem Formularvertrag über die Errichtung eines Bauwerks enthaltene Klausel, wonach der Bauunternehmer verlangen kann, dass der Erwerber ohne Rücksicht auf vorhandene Baumängel vor Übergabe des bezugsfertigen Bauwerks dann noch nicht fällige Teile des Erwerbspreises von insgesamt 14 % nach Anweisung des Verkäufers hinterlegt, ist als eine der Umgehung des § 309 Nr. 2 BGB dienende Begründung einer Vorleistungspflicht anzusehen und daher unwirksam. Eine Vorleistungsklausel in einem Schneebeseitigungsvertrag, die die Zahlung von Halbjahresbeträgen vorsieht, ist nach Auffassung des Kammergerichts nicht durch Vorleistungsaufwand des Unternehmers gerechtfertigt und unwirksam, da dem Kunden für den Fall von unpünktlicher Leistung oder Schlechtleistung jegliches Druckmittel zur ordnungsgemäßen Leistung fehlt. Bei einem Reisevertrag gilt § 651k Abs. 4 BGB; Vorleistungsklauseln, die eine Bezahlung oder Anzahlung vor Übergabe des Sicherungsscheins vorsehen, sind bereits wegen § 651m BGB unwirksam. Klauseln, die eine Bezahlung bei Übergabe des Sicherungsscheins vorsehen, werden von der Rechtsprechung demgegenüber grundsätzlich als wirksam angesehen, wenn sie keine höhere Anzahlung als 20 % vorsehen. Bei einem Reisevertrag hält der BGH die Regelung der Fälligkeit des gesamten restlichen Reisepreises 45 Tage vor Reiseantritt für unangemessen.
Rz. 22
Ein sachlicher Grund für die Vereinbarung von Vorleistungspflichten besteht nach der Auffassung des Gesetzgebers bei dem Verkauf von Eintrittskarten und Fahrtickets, da sie der vereinfachten Vertragsdurchführung und Abrechnung dienen. Auch in Heiratsvermittlerverträgen und Versteigererverträgen sind Vorleistungsklauseln grundsätzlich angemessen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs besteht in einem Vertrag über den Druck eines Telefonbucheintrags für die Festlegung einer Vorleistungspflicht ein sachlicher Grund, weil der Verlag nach Herstellung des Telefonbuchs im Falle der Nichtzahlung über keinerlei Druckmittel mehr verfüge. Auch bei eBay-Kaufverträgen ist die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht zulässig, da bei Fernabsatzgeschäften eine Leistung Zug-um-Zug ausscheidet. Da der Verkäufer im Vergleich zum Käufer wegen der Versendung letztlich einen höheren Aufwand habe, ist die Vorleistungspflicht des Käufers gerechtfertigt. Bei der Miete ist die Vorleistungspflicht des Mieters für die Zahlung des Mietzinses gemäß § 556b Abs. 1 BGB gesetzlich verankert. Anders als beim Reisevertrag wurde die sofortige Fälligkeit des Beförderungsentgeltes bei einem Luftbeförderungsvertrag als zulässig erachtet. Eine unangemessene Benachteiligung des Fluggastes scheide in diesem Fällen aus, weil die Fluggastrechteverordnung unabdingbare Mindestrechte der Fluggäste gewähre, was die Luftfahrtunternehmen zur Einhaltung und Erbringung der vertraglichen Beförderungsleistungen anhalte.