I. Allgemeines
Rz. 1
Gemäß § 362 BGB erlischt eine Forderung, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Durch eine gemäß § 387 BGB erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung kann eine (Haupt-)Forderung ebenfalls zum Erlöschen gebracht werden. Die Aufrechnung ist ein Erfüllungssurrogat. Ein Verbot der Aufrechnung kann den Kunden erheblich belasten, weil sie ihm Liquidität entzieht und ihn in die Klägerrolle mit allen Risiken der Verzögerung und Vollstreckung drängt. Andererseits hat der Verwender, etwa als Gläubiger einer vertraglich vereinbarten Vergütungsforderung, ein berechtigtes Interesse an der Durchsetzung seiner Forderung und daran, dass dies nicht durch Aufrechnungserklärungen verzögert oder verhindert wird. Der Gesetzgeber hat diesen Interessenkonflikt gelöst, indem er in § 309 Nr. 3 BGB, der vom Wortlaut her dem ehemaligen § 11 Nr. 3 AGBG entspricht, kein generelles Verbot für den formularmäßigen Ausschluss der Aufrechnung bestimmt hat, sondern nur ein Verbot für den Ausschluss der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen der Verwendergegenseite. In diesen Fällen überwiegt das Interesse des Vertragspartners, mit einer ohnehin unstrittigen Gegenforderung die Hauptforderung durch Aufrechnung zum Erlöschen zu bringen. Ist die Gegenforderung dagegen bestritten, ist es legitim, den Vertragspartner auf den Weg der Widerklage zu verweisen, da der Verwender nach der Rechtsprechung grundsätzlich ein berechtigtes Interesse hat, durch einen Aufrechnungsausschluss zu verhindern, dass ihm die Erfüllung seiner Forderung durch ungeklärte oder unbegründete Einwendungen vorenthalten wird.
II. Verhältnis zu anderen Vorschriften
Rz. 2
Unabhängig von der Frage der Wirksamkeit eines formularmäßigen Aufrechnungsausschlusses nach der Vorschrift des § 309 Nr. 3 BGB kann schon die Berufung auf einen Aufrechnungsausschluss gegen das Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verstoßen. Dies gilt auch bei individualvertraglicher Vereinbarung des Aufrechnungsausschlusses. Nach der Rechtsprechung kann dies der Fall sein, wenn sich der Verwender auf ein Aufrechnungsverbot beruft, obwohl die Gegenforderung des Vertragspartners aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung oder Vertragsverletzung herrührt. Dasselbe muss gelten, wenn das Aufrechnungsverbot in eine Insolvenz des Verwenders hineinwirken würde, weil dieser in Vermögensverfall geraten ist oder das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, sofern man nicht – was vorzugswürdig ist – die Ausschlussklausel von vornherein so auslegt, dass sie für den Fall der Insolvenz nicht gelten solle. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ergibt sich auch, dass ein formularmäßiger Ausschluss der Aufrechnung dann nicht gilt, wenn der Verwendungsgegner einen verjährten Schadensersatzspruch geltend macht.
Rz. 3
Die Anwendungsbereiche der Vorschriften § 309 Nr. 3 BGB und § 309 Nr. 2 BGB sind nicht widerspruchsfrei: § 309 Nr. 2 BGB enthält allein ein Verbot des formularmäßigen Ausschlusses von Leistungsverweigerungsrechten der Verwendergegenseite und lässt damit den in § 309 Nr. 3 BGB geregelten Aufrechnungsausschluss unberührt. Dabei findet das Verbot des § 309 Nr. 2 BGB generell für sämtliche Fälle Anwendung, in denen der Verwender seinem Vertragspartner formularmäßig die Geltendmachung der Einreden aus § 320 BGB oder § 273 BGB entziehen oder erschweren möchte. § 309 Nr. 3 BGB greift dagegen nur beim formularmäßigen Ausschluss der Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen und beinhaltet somit gerade keinen generellen Verbotstatbestand für sämtliche Aufrechnungen. Allerdings überschneiden sich die Normen, wenn sich zwei gleichartige (Geld-)Forderungen gegenüberstehen und der Vertragspartner des Verwenders ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Wandelt sich die dem Leistungsverweigerungsrecht zugrunde liegende Sachleistungsforderung in einen Schadenersatzanspruch, muss das Aufrechnungsverbot bei derartigen konnexen Gegenforderungen zurücktreten. Dies ergänzend hat der Bundesgerichtshof die von einem Architekten verwandte Klausel, "Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig." als unwirksam eingestuft, weil das Aufrechnungsverbot auch die in einem engen synallagmatischen Verhältnis zur Werklohnforderung stehenden Ersatzansprüche wegen Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten umfasse. Zu dem umgekehrten Fall, in dem das Zurückbehaltungsrecht zurücktreten muss, vgl. die Kommentierung zu § 309 Nr. 2 (siehe § 309 Nr. 2 BGB Rdn 7).