Rz. 5
§ 309 Nr. 4 BGB verbietet Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit zur Mahnung oder Setzung einer Frist für die Leistung oder Nacherfüllung freistellen. Dagegen sind Klauseln, die den Vertragspartner des Verwenders von der Obliegenheit zur Mahnung oder Setzung einer Nachfrist freistellen, von § 309 Nr. 4 BGB nicht betroffen. Werden beide Parteien insoweit freigestellt, ist diese Klausel allerdings gemäß § 309 Nr. 4 BGB unwirksam. Erschwernisse, die dem Vertragspartner des Verwenders im Zusammenhang mit Mahnungen oder Fristsetzungen auferlegt werden, sind nicht an § 309 Nr. 4 BGB zu messen, sondern an § 307 BGB.
I. Obliegenheit zur Mahnung
Rz. 6
Die gesetzliche Obliegenheit zur Mahnung ist in § 286 Abs. 1 BGB geregelt. Der Schuldner kommt nur dann in Verzug, wenn er trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet. Bestimmt daher der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass sein Vertragspartner durch bloßes Überschreiten von Leistungsfristen in Verzug kommt, ist dies gemäß § 309 Nr. 4 BGB unwirksam.
Rz. 7
Die Mahnung muss nicht ausdrücklich abbedungen werden. Es genügt für die Anwendung des § 309 Nr. 4 BGB auch ein konkludentes Abbedingen der Mahnung, etwa wenn der Verwender in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimmt, dass zu seinen Gunsten eine Rechtsfolge des Verzugs eintritt, die nach dem Gesetz erst aufgrund der Mahnung eintritt. Unwirksam sind daher Klauseln, die eine Kostentragungspflicht für die erste Mahnung vorsehen, die den Verzug erst begründen soll, oder Klauseln, nach denen Verzugszinsen bereits ab Fälligkeit anfallen sollen. Klauseln, die bestimmen, dass "unabhängig vom Vorliegen der förmlichen Verzugsvoraussetzungen" der Kaufpreis mit 12 % jährlich zu verzinsen ist, scheitern nicht nur an § 309 Nr. 4 BGB, sondern auch an § 309 Nr. 5b BGB.
Rz. 8
Unwirksam sind auch Klauseln, die dem Verwendungsgegner die Verpflichtung zur Zahlung von "verkappten" Verzugszinsen auferlegen, wie "Zahlung bei Lieferung. Bei Fristüberschreitung werden bankübliche Zinsen berechnet." Dagegen sind Klauseln, die ausdrücklich den Anfall von Fälligkeitszinsen begründen sollen, nicht an § 309 Nr. 4 BGB zu messen, sondern an § 307 BGB. Im nichtkaufmännischen Geschäftsverkehr weichen Klauseln, die Fälligkeitszinsen begründen sollen, von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen (§§ 280, 286, 288 BGB) ab; sie können daher nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Die formularmäßige Vereinbarung von Nutzungszinsen für den Fall der vor vollständiger Kaufpreiszahlung eingeräumten Nutzung des Kaufgegenstands unterliegt nicht dem Verbot des § 309 Nr. 4 BGB, sondern ist lediglich an § 307 BGB zu messen.
Rz. 9
Die Anwendung des § 309 Nr. 4 BGB setzt die Freistellung von der Mahnung voraus. Gemäß § 286 Abs. 2 und 3 BGB kommt der Schuldner in bestimmten Fällen auch ohne Mahnung in Verzug, etwa wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt oder bestimmbar ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB), der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) oder wenn der Schuldner einer Entgeltforderung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufforderung leistet (§ 286 Abs. 3 BGB). Klauseln, die diese Ausnahmen lediglich wiederholen, sind wirksam, da insoweit keine Freistellung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen von der Mahnungsobliegenheit vorliegt. Eine Klausel, nach der der Verzug "14 Tage nach Rechnungsdatum" eintritt, ist jedoch unwirksam. Zwar kann der Verwender und Rechnungssteller die Zeit nach dem Kalender berechnen, sodass § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB dem Wortlaut nach anwendbar wäre. Es kommt jedoch darauf an, ob der Schuldner in diesem Falle die Leistungszeit nach dem Kalender berechnen könnte. Dies ist nicht der Fall. Dem Schuldner ist nicht bekannt, wann die Rechnung ausgestellt wird; unter Umständen erhält er die Rechnung verspätet oder gar nicht. In diesem Fall ist es nicht gerechtfertigt, gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB vom Erfordernis der Mahnung abzusehen. Die nach § 286 Abs. 1 BGB für den Verzugseintritt erforderliche Mahnung dient dem Schutz des Schuldners. Mit dem Erhalt der Mahnung weiß der Schuldner, dass er in Verzug kommt, wenn er weiterhin nicht leistet. Von diesem Grundsatz regelt § 286 Abs. 2 BGB Ausnahmen, in denen eine Mahnung nicht erforderlich ist, weil der Schuldner ohnehin gewarnt ist oder eine Warnung zwecklos wäre. Dies sind die Fälle, in denen die Leistung nach dem Kalender bestimmt oder bestimmbar ist (Nr. 1 und 2) oder der Schuldner die Leistung ohnehin endgültig und dauerhaft verweigert (Nr. 3) oder der sofortige Verzugseintritt aus besonderen Gründen gerechtfertigt ist (Nr. 4), etwa im Falle der Selbstmahnung oder wenn sich die besondere Dringlichkeit der Leistung bereits aus dem Vertrag selbst ergibt, beispielsw...