Rz. 21
Soweit in Gerichtsentscheidungen, die vor den Finanzkrisen der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts ergangen sind, konkrete Aussagen zur Angemessenheit von Schadenspauschalen getroffen worden sind, sollte stets geprüft werden, inwieweit diese Aussagen heutzutage noch Gültigkeit besitzen. Für viele Branchen haben sich die Rahmenbedingungen grundlegend verändert. Ursache hierfür ist neben den Finanzkrisen auch die zunehmende Globalisierung der letzten Jahre. Dementsprechend darf bezweifelt werden, dass Feststellungen zu Gewinnspannen und Kostenstrukturen aus den 80er und 90erJahren nach wie vor aktuell sind. Da der branchentypische Durchschnittsschaden Maßstab für eine wirksame Pauschalierung ist (siehe oben Rdn 16), muss bei Heranziehung der Rechtsprechung zu § 309 Nr. 5a BGB stets berücksichtigt werden, welchen Veränderungen die jeweils betroffene Branche zwischenzeitlich unterworfen war. Ältere Gerichtsentscheidungen können daher nur als Anhaltspunkte dafür dienen, in welchen Einzelfällen Schadenspauschalen als wirksam oder unwirksam eingestuft worden sind.
Rz. 22
Auch branchenunabhängig hat sich die Rechtsprechung in den letzten Jahren verschiedentlich mit Schadenspauschalen auseinandersetzen müssen, deren Höhe nach früherem Verständnis sicherlich nicht beanstandet worden wäre. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Kostenpauschalen für Rücklastschriften. Während der BGH in seiner Entscheidung vom 3.11.1999 (sogenannte "Germanwings-Entscheidung") noch eine Kostenpauschale von 25,00 EUR (50,00 DM) beurteilen musste, sind in den letzten Jahren bereits Rücklastschriftpauschalen unter 10,00 EUR beanstandet worden. Weitere Einzelheiten siehe Rdn 30.
Rz. 23
Baubranche: 3 % der Auftragssumme bei kartellrechtswidrigen Preisabsprachen sind wirksam.
Rz. 24
Darlehensverträge: Es ist zulässig, in AGB Bereitstellungszinsen als Ausgleich dafür zu verlangen, dass die Bank die Darlehensmittel zur Verfügung des Darlehensnehmers vorhält. Auf diese Zinsen, die je nach Darlehenskonditionen 4,5 % oder 3 % betragen können (siehe oben Rdn 17), hat die Bank auch bei Nichtabnahme des Darlehens Anspruch. Die Pauschalierung einer Vorfälligkeitsentschädigung "von jährlich 1 % des fälligen Darlehensbetrages" einer Hypothekenbank, deren Nettozinsmarge 0,63 % beträgt, ist dagegen unwirksam.
Rz. 25
Kfz-Handel: Bei Nichtabnahme des bestellten Fahrzeugs sind 15 % des Kaufpreises im Kfz-Neuwagengeschäft wirksam, nicht jedoch im Gebrauchtwagengeschäft eines Neuwagenhändlers (siehe oben Rdn 17). Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die Gewinnspanne im Gebrauchtwagenhandel 15 % bis 20 % beträgt, ist zwischenzeitlich überholt. Zulässig ist insoweit jedenfalls eine Pauschale von 10 %.
Rz. 26
Mahnkosten: Viele der einschlägigen Entscheidungen zu pauschalierten Mahnkosten betreffen Fälle aus der Zeit vor Einführung des EUR am 1.1.1999 und können daher lediglich als grobe Richtschnur dienen. Es steht außer Frage, dass eine Mahnpauschale von 15,00 EUR in jedem Fall unwirksam ist. Erstaunlicherweise mussten die Gerichte in den vergangenen Jahren noch Pauschalen für Mahnkosten zwischen 5,95 EUR und 9,00 EUR beanstanden, obwohl in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte bereits Ende der 90er Jahre umstritten war, ob Mahnkosten mit einem Betrag von 5,00 DM pauschaliert werden können. Nach dem Urteil des OLG München vom 28.7.2011 soll eine Mahnpauschale bereits dann unwirksam sein, wenn sie einen Betrag von 1,20 EUR übersteigt. Das OLG Koblenz beanstandete eine Mahnpauschale von EUR 2,50, da es von Kosten unter 1,00 EUR pro Mahnung ausging. Vielfach werden jedoch Mahnpauschalen von 2,50 EUR nach wie vor von den Gerichten akzeptiert. Im Hinblick auf § 309 Nr. 4 BGB sollte allerdings in der Klausel klargestellt werden, dass für die erste Mahnung keine Mahnkosten erhoben werden.
Rz. 27
Maklervertrag: Ein verkaufswilliger Grundstückseigentümer kann durch AGB nicht dazu verpflichtet werden, für den Fall des Eigenverkaufs eine Entschädigung von 5 % des Kaufpreises zu zahlen.
Rz. 28
Mietfahrzeug: Die Pauschalierung von Mietausfallkosten bei Beschädigung des Fahrzeugs durch den Mieter in voller Höhe des vereinbarten Mietzinses ist unzulässig.
Rz. 29
Möbelhandel: Für den Fall der Nichtabnahme ist eine Schadensersatzpauschale in Höhe von 30 % des Kaufpreises im Möbelversandhandel als wirksam angesehen worden (siehe oben Rdn 17). Im Übrigen wird nach wie vor auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 16.9.1970 – also noch vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes – verwiesen, nach der eine Schadenspauschale von 25 % bei Nichtabnahme fabrikneuer Möbel wirksam ist. Ein pauschalierter Schadensersatz von 1 % des Kaufpreises bei Annahmeverzug ist dagegen unwirksam, wenn die Schadenspauschale unabhängig von der Verzugsdauer gelten soll.
Rz. 30
Rücklastschriften: In den vergangenen Jahren haben Verbraucherschutzverbände diverse Klagen gegen Kostenpauschalen für Rücklasts...