Rz. 10
Im kaufmännischen Verkehr können Laufzeitbeschränkungen gegen § 307 BGB verstoßen. § 309 Nr. 9 BGB hat insoweit keine Ausstrahlungswirkung mit der Folge, dass auch im kaufmännischen Verkehr i.d.R. derartige Klauseln unwirksam sind. Die neuere Rechtsprechung des BGH, dass die Wertungen unter Verbrauchern auch auf Kaufleute zu übertragen sind, schließt jedoch eine Prüfung im Einzelfall nicht aus.
Rz. 11
Dagegen kommt den Gruppenfreistellungsverordnungen (GVOs) ein derartiger Gerechtigkeitsgehalt zu; sie können als wesentlicher Inhalt einer gesetzlichen Regelung angesehen werden.
Rz. 12
Diese GVOs sind auf den kaufmännischen Rechtsverkehr zugeschnitten und beinhalten bei Fragen der Laufzeit die Wertung, dass nur bis zu fünf Jahren (so in der Schirm-GVO) die Freiheit des Wettbewerbs gebunden werden kann. Dies ist keine abstrakte Aussage, sondern auch eine Aussage für den konkreten Vertragspartner.
Rz. 13
Bei Bezugsverträgen sieht die Schirm-GVO (kartellrechtlich) eine Höchstfrist von fünf Jahren vor. Dies gilt etwa für Produkte des Franchise, für Kraftfahrzeuge, für Öle und Schmierstoffen und alle Lieferprodukte im Vertikalverhältnis.
Rz. 14
Damit sind auch formularmäßige Bierlieferungsverträge über fünf Jahre hinaus nach § 307 BGB unwirksam.
Rz. 15
Verstößt in einem Bezugsvertrag die Laufzeitregelung gegen die Schirm-GVO, weil sie über fünf Jahre hinausgeht, so ist diese Klausel grundsätzlich unwirksam und erfasst den gesamten Vertrag nach den Grundsätzen von § 139 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion auf einen Fünf-Jahres-Vertrag kommt nicht in Betracht, weil so die Sanktion aus Art. 101 Abs. 1 AEUV leerliefe.
Rz. 16
Wird hiergegen verstoßen, entfällt nach § 306 Abs. 1 BGB die unwirksame Klausel und der Vertrag bleibt im Übrigen wirksam. Gesamtnichtigkeit tritt nur nach Maßgabe von § 306 Abs. 3 BGB ein: Der Vertrag ist dann nur insgesamt unwirksam, wenn das Festhalten an ihm eine unzumutbare Härte für den Vertragspartner wäre, § 306 BGB. Insoweit wird ein Vertrag mit einer Laufzeit von über fünf Jahren nicht durch geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß reduziert.
Rz. 17
Der Vertrag wäre daher insgesamt nichtig. Ausnahme: Zugunsten des Kunden kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht: Eine ergänzende Vertragsauslegung kann bei der Unwirksamkeit von AGB jedoch grundsätzlich nicht erfolgen, da hierdurch das Risiko der Verwendung ähnlich einer verbotenen geltungserhaltenden Reduktion teilweise auf den Vertragspartner verlängert würde.
Rz. 18
Die Einräumung von Kündigungsmöglichkeiten sieht das dispositive Recht nur im Falle von § 620 Abs. 2 BGB beim Dienstvertrag vor. Dies ist mangels vergleichbarer Rechtslage nicht (auch nicht analog) anwendbar bei Bezugsverträgen. Der Rumpfvertrag ist letztlich hier nicht ergänzbar. Es bleibt beim ersatzlosen Wegfall des Vertrags. Da in der Verwendung unwirksamer AGB jedoch die Verletzung von Nebenpflichten zum Vertrag liegt, haftet der Verwender bei der Verwendung unwirksamer AGB nach den Grundsätzen der Verletzung von Nebenpflichten, c.i.c. bzw. pVV. Damit kann der Verwender nicht etwas (Zahlung) verlangen, was dieser umgehend wieder zurückzahlen müsste.
Rz. 19
Damit werden Laufzeit-Vereinbarungen nicht etwa nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen; sie sind vielmehr über den eigentlichen Anwendungsbereich in § 309 Nr. 9 BGB hinaus oft unwirksam, weil sie der Natur des Vertrags widersprechen. Auch die Zwei-Jahres-Frist kann nach § 307 BGB unwirksam sein, wenn das jeweilige Vertragsverhältnis dies erfordert.