I. AGB gelten als vom Unternehmer gestellt
Rz. 7
Die Vorschrift war zur Umsetzung der Richtlinie erforderlich. Nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Wann eine Vertragsklausel als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten ist, definiert Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie. Dies ist dann der Fall, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb, insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags, keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte. Die Richtlinie stellt also darauf ab, dass die Klausel vorformuliert ist und der Verbraucher keinen Einfluss auf ihre Einführung in den Vertrag gehabt hat. Sie stellt nicht darauf ab, dass die Vertragsbedingung "gestellt" ist, und erst recht nicht darauf, dass sie vom Verwender gestellt ist. Die Umsetzung der Richtlinie gelingt also rechtstechnisch am besten, wenn die Vertragsbedingung als vom Unternehmer gestellt gilt.
Rz. 8
Indessen herrscht Streit darüber, was unter dem "Stellen" der Klausel zu verstehen ist, worauf also die Richtlinie verzichtet und was § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB zwecks Umsetzung unterstellt. Überwiegend wird vertreten, dass damit die Rolle des Verwenders der Partei zugewiesen werden soll, auf deren Veranlassung die Einbeziehung der vorformulierten Bedingungen in den Vertrag zurückgeht; die Ausübung einseitigen Drucks durch den Verwender wird dabei nicht vorausgesetzt.
Rz. 9
Die Vorschrift erfasst auch Bedingungen, die von beiden Seiten gestellt worden sind. In erster Linie zielt sie aber auf sog. Drittbedingungen. Dies sind etwa Klauseln, die der Notar seiner Mustersammlung entnimmt und verwendet, Bedingungen, die der Makler in den Vertrag einführt, oder auch handelsübliche Vertragsmuster, soweit sie nicht der Verbraucher zur Vertragsgrundlage macht.
Rz. 10
Stets muss es sich aber bei § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB (anders als nach Nr. 2) um eine Klausel handeln, deren mehrfache Verwendung im Sinne unseres nationalen AGB-Begriffs bezweckt ist.
Rz. 11
Unter den dargestellten Voraussetzungen "gelten" Allgemeine Geschäftsbedingungen grundsätzlich als vom Unternehmer gestellt. Nach überwiegender Meinung handelt es sich dabei um eine Fiktion. Richtigerweise handelt es sich um eine Vermutung. Der Meinungsstreit ist unbedeutend, denn wenn es sich um eine Vermutung handelt, ist sie unwiderleglich. Es ist kaum anzunehmen, dass die Richtlinie dem Unternehmer gestatten wollte, hinsichtlich des Stellens der Klausel bzw. deren Einführung in den Vertrag durch ihn den Gegenbeweis führen zu lassen.
Rz. 12
Keine Vermutung dafür, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen von einer Vertragspartei gestellt worden sind und welche Partei sie gestellt hat, gibt es bei Verträgen zwischen zwei Verbrauchern. Dies ist logisch, denn dann handelt es sich auch nicht um einen Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB. Es entscheiden dann die Umstände des Einzelfalls, wobei die Verwendereigenschaft grundsätzlich beweisen muss, wer sich im Individualprozess auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft.
Rz. 13
Terminologisch korrekt wäre in § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht von AGB, sondern von vorformulierten Vertragsbedingungen zu sprechen, denn nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB werden diese erst zu AGB, indem sie gestellt werden.
II. Ausnahme: Einführung in den Vertrag durch den Verbraucher
Rz. 14
Der Verbraucher führt die Klausel in den Vertrag etwa ein, wenn er das handelsübliche Formular dafür mitbringt. Dem steht gleich, wenn ein Dritter im Auftrag des Verbrauchers die Klausel einführt. Im Sinne eines umfassenden Verbraucherschutzes greift Ziffer 1 aber, wenn die Klausel von beiden Vertragspartnern übereinstimmend und unabhängig voneinander in den Vertrag eingeführt worden ist, etwa wenn beide den Notar beauftragt haben, den Vertragsentwurf auszuarbeiten.
Rz. 15
Die Beweislast für die Einführung der Klausel durch den Verbraucher liegt beim Unternehmer.