I. Keine Absicht mehrfacher Verwendung
Rz. 18
§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist ebenfalls zur Umsetzung der Richtlinie erforderlich. Nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind AGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen bei Abschluss eines Vertrages stellt. Die Vielzahl von Verträgen definiert die Rechtsprechung dahin, dass die Absicht einer zweifachen Verwendung nicht genügt, erst recht nicht die erneute spätere Verwendung einer zunächst nur für einen bestimmten Vertrag individuell vereinbarten Klausel, wohl aber in der Regel eine beabsichtigte dreimalige Verwendung. Die Richtlinie stellt hingegen nur auf die Vorformulierung und den fehlenden Einfluss des Verbrauchers hierauf ab (siehe oben Rdn 7), nicht auf die Bestimmung einer nicht im Einzelnen ausgehandelten Klausel zur mehrfachen Verwendung.
Rz. 19
Demgemäß bestimmt § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, dass § 305c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel), § 306 BGB (Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit) sowie die §§ 307 bis 309 BGB (Inhaltskontrolle) auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann anzuwenden sind, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Die Vorschrift erfasst auch notarielle Einzelverträge, insbesondere solche aus Textbausteinen.
Rz. 20
Die Vorformulierung bleibt aber erforderlich; sie ist dahin definiert, dass die Vertragsklausel "im Voraus abgefasst wurde" (so Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie). Danach muss der Wortlaut der Vertragsbestimmung richtigerweise schon vor den Vertragsverhandlungen feststehen, sodass darüber gar nicht mehr verhandelt wird. Es wird aber auch vertreten, dass die Vorformulierung bei einem Einzelvertrag überhaupt nicht aussagekräftig sei. Deshalb sei der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Fälle zu erstrecken, wo aus anderen Gründen als wegen Vorformulierung eine Vertragsbestimmung nicht ausgehandelt wird, so z.B. bei besonderer Eile oder bei einem umfangreichen Vertragswerk (wo dies an einer Stelle übersehen wird) oder bei einer Zwangslage unterhalb der Schwelle des § 123 BGB. Dies dürfte aber gegen Richtlinie und Gesetz verstoßen, die beide verlangen, dass der Verbraucher deshalb keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte, weil sie im Voraus abgefasst wurde ("deshalb" in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie; "aufgrund der Vorformulierung" in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).
II. Kein Einfluss des Verbrauchers auf den Inhalt
Rz. 21
Nach überwiegender Meinung bedeutet dies, dass die Vertragsklausel nicht i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt worden ist, und zwar deshalb, weil sie vorformuliert war.
Rz. 22
Unerheblich ist, wer die Einmalklausel vorformuliert hat, denn auch die Richtlinie unterscheidet insoweit nicht. Damit werden auch notarielle Einzelverträge erfasst. Es wird aber auch vertreten, § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur auf Vorformulierungen anzuwenden, die dem Unternehmer zurechenbar sind, weil sie von ihm selbst stammen oder auf seine Veranlassung von Dritten bewirkt worden sind. Es wird weiter vertreten, notarielle Verträge auszunehmen, weil schon aus Respekt vor dem Amt des Notars die Inhaltskontrolle bei den Einmalverträgen unterbleiben sollte.
Rz. 23
Indizien für eine fehlende Einflussmöglichkeit des Verbrauchers können sein: Art und Weise beim Vorgehen des Unternehmers (Verhandlungsführung); Aufbau und Inhalt der vorformulierten Vertragsklausel (etwa enge Verbindung mit Klauseln, die einwandfrei vorformuliert, da ihrerseits nicht ausgehandelt sind); wirtschaftliches oder intellektuelles Gefälle zwischen den Vertragsparteien; Marktpositionen usw. Kein Indiz ist die Vorformulierung als solche, denn sie ist bei § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ein weiteres Tatbestandsmerkmal.
Rz. 24
Die Beweislast dafür, dass es sich bei einer Klausel um eine vorformulierte Vertragsklausel handelt und der Verbraucher wegen der Vorformulierung keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte, liegt beim Verbraucher. Dieser legt hierzu zweckmäßigerweise den Gang der Verhandlungen dar.
III. Rechtsfolge
Rz. 25
Die Vorschrift durchbricht ein Prinzip des nationalen Rechts, wonach AGB nur vorliegen, wenn die Klauseln zur Verwendung in einer Vielzahl von Verträgen bestimmt sind.
Nach ihrem ausdrücklichen Inhalt führt die Vorschrift zur Geltung der §§ 305c Abs. 2 (Unklarheitenregel), 306 (Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit), 3...