I. Inhalt
Rz. 26
Auch diese Vorschrift war zur Umsetzung der Richtlinie erforderlich. Nach ständiger deutscher Rechtsprechung war nämlich für die Inhaltskontrolle nicht nur im Verbands-, sondern auch im Individualprozess maßgeblich, ob der Inhalt der Formularklausel bei einer überindividuell generalisierenden Betrachtung eine unangemessene Benachteiligung des Kunden von vornherein ausschloss; auf die Verhältnisse des konkreten Einzelfalls kam es nicht an. Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie wird die Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel hingegen unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Kriterien ermittelt, zu denen auch alle den Vertragsabschluss begleitenden Umstände gehören. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sieht dies nunmehr auch für die Inhaltskontrolle bei Verbraucherverträgen vor, also zwecks Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB.
Rz. 27
Sie lässt sich indessen im Verfahren nach dem UKlaG nicht durchsetzen. Demgemäß beschränkt sich die praktische Anwendung der Vorschrift auf die Inhaltskontrolle im Individualprozess; insbesondere Einmalbedingungen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) können naturgemäß nur anhand der konkreten Begleitumstände geprüft werden. Auch im Individualprozess gilt die Vorschrift aber nicht für die Prüfung nach §§ 308 und 309 BGB; bei letzterer Vorschrift wäre die Anwendung eines individualisierenden Maßstabs schon deshalb unmöglich, weil dort keine Wertung möglich ist.
II. Zweistufige Prüfung
Rz. 28
Im Anwendungsbereich der Vorschrift tritt an die Stelle des grundsätzlich generalisierenden, ein individualisierter Maßstab. Nach überwiegender Auffassung sollen die Klauseln hiernach zunächst abstrakt-generell und alsdann in einer zweiten Stufe anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Eine einstufige Prüfung kommt aber bei den Einmalverträgen gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB in Betracht.
III. Beispiele für die zu berücksichtigenden konkreten Umstände
Rz. 29
In Betracht kommen die Kräfteverhältnisse am Markt, die Verhandlungsstärke der Parteien (16. Erwägungsgrund zur Richtlinie), besondere Kenntnisse und Erfahrungen des Verbrauchers (Rechtskunde), besondere Einwirkungen des Unternehmers auf den Verbraucher, etwa ein Überraschungsmoment oder Druck unterhalb der Schwelle des § 123 BGB oder die Bagatellisierung des Klauselinhalts durch den Verwender. Dagegen folgt ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis bei den Verhandlungen nicht schon daraus, dass die Verbraucher durch den professionell handelnden Verwalter der Eigentumswohnungen vertreten werden. In der Literatur wird vertreten, dass der 16. Erwägungsgrund zur Richtlinie sieben ausdrückliche Prüfungskriterien liefert; auch soll aus dem 19. Erwägungsgrund das Preis-Leistungs-Verhältnis selbst außerhalb von Versicherungsverträgen herangezogen werden können.
Rz. 30
Jede Vertragspartei trägt die Beweislast für die ihr günstigen Begleitumstände.