Prof. Dr. Barbara E. Reinhartz, Dr. Paul Vlaardingerbroek
Rz. 164
Die Anerkennung gegen den Willen des Erzeugers war bis 1.4.1998 nach dem bis dato geltenden Recht nicht möglich. Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (Art. 1:207 BW) wurde damals eingeführt. Diese Möglichkeit kann als letztes Mittel der Mutter und des Kindes angesehen werden, eine familienrechtliche Beziehung zwischen Kind und Erzeuger zu schaffen. Die Mutter des Kindes ohne juristischen Vater hat von Rechts wegen zwei Optionen: Sie kann den Mann, der die Vaterschaft nicht anerkennen will, entweder gerichtlich als (juristischen) Vater feststellen lassen oder den Mann durch eine Unterhaltsklage nach Art. 1:394 BW zu einem Beitrag zu den Kosten des Lebensunterhalts zwingen. Es darf bezweifelt werden, ob die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft oft angestrebt werden wird. Denn welchen Vorteil haben Frau oder Kind (abgesehen von einem möglichen Erbrecht) davon, einen Mann juristisch als Vater feststellen zu lassen, der mit dem Kind nichts zu tun haben will? Eine Reihe der an die Anerkennung bzw. gerichtliche Feststellung der Vaterschaft geknüpften Rechtsfolgen (Unterhalt, Erbrecht) können nämlich auch auf anderem Wege erreicht werden. Der zum 1.4.1998 geänderte Art. 1:394 BW erweitert gegenüber der früheren Vaterschaftsklage die Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung. Nicht nur der Erzeuger des Kindes, für das die Mutter das alleinige Sorgerecht hat, sondern auch der Mann, der als Lebensgefährte der Mutter einer Handlung zugestimmt hat, welche die Zeugung des Kindes zur Folge gehabt haben kann, ist – als wäre er der Vater – verpflichtet, die Kosten für Pflege und Erziehung des Kindes zu tragen bzw. nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes für die Kosten von Lebensunterhalt und Studium entsprechend den Art. 1:395a und 1:395b BW aufzukommen. Es ist möglich, die Vaterschaft eines verheirateten Mannes gerichtlich festzustellen. Sogar dann, wenn der Erzeuger bereits verstorben ist, ist eine gerichtliche Feststellung seiner Vaterschaft noch möglich. Diese wirkt auf die Geburt des Kindes zurück und kann somit auch erbrechtliche Folgen haben (Art. 1:207 Abs. 5 BW).
Für den weiblichen Partner gilt seit dem 1.4.2014 dasselbe wie für den männlichen Partner (siehe § 151 Erster Teil), denn durch die Änderung des Art. 1:207 BW ist nun die Möglichkeit zur gerichtlichen Feststellung der Elternschaft, also Vaterschaft oder Mutterschaft, geschaffen worden. Die Mutter des Kindes ohne juristischen Vater oder Duo-Mutter hat von Rechtswege zwei Optionen: Sie kann die Person (Mann oder Frau), die die Elternschaft nicht anerkennen will, entweder gerichtlich als (juristischen) Elternteil feststellen lassen oder aber die Person durch eine Unterhaltsklage nach Art. 1:394 BW zu einem Beitrag zu den Lebensunterhaltskosten zwingen. Der auf Art. 1:394 begründete Lebensunterhaltsbeitrag dauert im Prinzip bis zum 21. Lebensjahr des Kindes an, wenn es nach seinem 18. Geburtstag bedürftig ist oder studiert.
Rz. 165
Zurzeit wird das Abstammungsrecht wieder umfassend diskutiert. Anlass dazu war der Report von der Staatscommissie Herijking ouderschap "Kind en ouders in de 21ste eeuw", ein Werk von mehr als 600 Seiten. Umstrittene Themen sind zum Beispiel die Frage der Leihmutterschaft, aber auch die Frage, wie man umzugehen hat mit komplexen Familienstrukturen, die dazu führen können, dass ein Kind bis zu vier Elternteile hat (die Mutter mit ihrer Partnerin, und der Samenspender mit seinem Partner). Die Regierung will momentan nicht so weit gehen, dass ein Kind wirklich vier Eltern bekommen kann, aber sie will für diejenigen, die nicht Eltern sind, aber eine Rolle im Leben des Kindes spielen, doch eine Regelung bezüglich der Sorge und Pflege für das Kind schaffen. Der Gesetzesvorschlag beinhaltet noch weitere Änderungen, wie zum Beispiel die Regeln über die Anerkennung von Kindern durch minderjährige Personen. Da dieses alles sehr umstritten ist und es voraussichtlich 2021 nach den Parlamentswahlen wieder eine andere Koalitionsregierung geben wird, ist es sehr fraglich, ob die Vorschläge der heutigen Regierung auf diese Weise in Gesetzgebung umgesetzt werden.