Hella Slegt-Moens, Arlette R. van Maas de Bie
I. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 133
Nach niederländischem Recht hat der Erbe drei Möglichkeiten. Er kann den Nachlass
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rein annehmen, |
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benefiziarisch annehmen (Annahme unter dem Vorbehalt der Inventaraufnahme), |
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ausschlagen. |
Rz. 134
Für die Entscheidung hat der Erbe drei Monate Zeit. In diesem Zeitraum können die Gläubiger den Erben nicht in Anspruch nehmen.
Rz. 135
Bei einer reinen Annahme der Erbschaft haftet der Erbe mit seinem eigenen Vermögen, wenn die Schulden die Aktiva übersteigen. Die reine Erbschaftsannahme ist der einfachste Weg, jedoch risikobehaftet. Ein Erbe kann auch bereits durch die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte den Nachlass rein antreten, z.B. durch den Verkauf der Wohnung. Die vorbehaltslose Annahme der Erbschaft kann sich auch aus dem eindeutigen Verhalten des Erben ergeben.
Rz. 136
Falls die Schulden des Nachlasses die Aktiva übertreffen, können die Erben den Nachlass unter beneficiaire aanvaarding annehmen oder ausschlagen. Bei der beneficiaren Annahme der Erbschaft wird zuerst eine Inventaraufnahme vorgenommen.
Rz. 137
Durch Ausschlagung der Erbschaft verliert der Erbe seine Erbenstellung. Gemäß dem gesetzlichen Erbrecht findet in diesem Fall die Ersatzerbschaft statt, sodass die Kinder des ausschlagenden Erben an dessen Stelle Erbe werden.
Rz. 138
Der Erbe soll für die beneficiare Annahme oder die Ausschlagung eine diesbezügliche Erklärung bei dem Gericht abgeben, in dessen Bezirk das Sterbehaus des Erblassers liegt. In der Praxis wird häufig der Notar diese Erklärung mittels Vollmacht abgeben.
Rz. 139
Die Erben treten in alle Rechte des Erblassers ein (Art. 4:182 BW). Die Erben werden demzufolge gemeinsam Eigentümer. Sie treten jedoch auch in die Schulden des Erblassers ein.
Praxishinweis:
Obwohl gesetzlich nicht verpflichtet, ist es empfehlenswert, kurz nach dem Tode des Erblassers eine Inventaraufnahme zu machen, damit die Höhe des Forderungsrechts der Kinder festgestellt werden kann. Wie ausgeführt (Rdn 88), erhält der überlebende Ehegatte das Eigentum an allen Gütern. Werden diese Güter nicht sofort bewertet, ist es schwierig, die Bewertung Jahre später nachzuholen.
II. Testamentsvollstreckung
Rz. 140
Im Testament wird oft ein Testamentsvollstrecker (Executeur) ernannt. Der Testamentsvollstrecker hat eine wichtige Rolle.
In den Niederlanden gibt es verschiedene Arten von Testamentsvollstreckern, die bei der Nachlassverwaltung eine Rolle spielen können. Ein Erblasser kann in einem Testament einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen (Art. 4:142 Abs. 1 BW). Die Ernennung, Pflichten und Befugnisse dieser Testamentsvollstrecker sind in Abschnitt 4.5.6 BW geregelt. Ein Erblasser kann sich auch dafür entscheiden, seinen Nachlass (Bestände daraus) unter Verwaltung zu stellen. Die Verwaltung ist in Abschnitt 4.5.7 BW geregelt. In der Praxis hat sich der sog. Testamentvollstrecker-Verwalter entwickelt, eine Person, die mit Testamentsvollstreckerpflichten und -befugnissen sowie der Verwaltung betraut ist.
Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, das Nachlassvermögen zu verwalten und die Nachlassschulden zu begleichen, sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt hat. Der Begriff der Verwaltung umfasst u.a. alle Maßnahmen, die für die normale Nutzung des Vermögens nützlich sein können (siehe Art. 3:170 Abs. 2 BW).
Der Erblasser kann die Pflichten und Befugnisse des Testamentsvollstreckers einschränken, indem er bspw. den Testamentsvollstrecker nur mit der Bestattung (Beerdigung oder Einäscherung) betraut.
Es ist wichtig, dass die Erben während der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker nicht ohne die Mitwirkung des Testamentsvollstreckers (oder die Genehmigung des Unterbezirksrichters/kantonrechter) über die betreffenden Vermögenstatbestände verfügen können. Der Testamentsvollstrecker vertritt die Erben bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.
Die Stellung des Testamentsvollstreckers bringt einerseits eine Reihe von Befugnissen mit sich, andererseits kann ein Testamentsvollstrecker bei schuldhaft fahrlässigem Verhalten persönlich haften. Die Erben haben auch die Möglichkeit, den Testamentsvollstrecker durch einen Antrag beim Unterbezirksrichter (kantonrechter) abberufen zu lassen.
Das Gesetz besagt, dass ein Testamentsvollstrecker nur aus schwerwiegenden Gründen entlassen werden kann. Der Begriff des wichtigen Grundes hat in der Rechtsprechung zunehmend Gestalt angenommen. Voraussetzung ist, dass der Testamentsvollstrecker seine Pflichten schwerwiegend nicht erfüllt. In jedem Fall muss der Testamentsvollstrecker zügig arbeiten, Fristen im Auge behalten und gut und transparent mit den Erben kommunizieren.
Rz. 141
In der Praxis sind folgende Begriffe gebräuchlich:
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Bestattungs- oder Bestattungsvollstrecker (uitvaart- oder begrafenisexecuteur) Ein Bestattungsvollstrecker (auch "Ein-Stern-Verwalter"/éénsterexecuteur genannt) darf nur die Bestattung, also die Beerdigung bzw. Einäscherung und alles, was dazugehört, organisieren. Der Bestattungsvollstrecker ist faktisch ein Testamentsvollstrecker mit begrenzten Befugnissen. |
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Verwaltungsvollstreck... |