Prof. Dr. Barbara E. Reinhartz, Dr. Paul Vlaardingerbroek
Rz. 33
Die seit dem 1.9.2002 gesetzlich geregelte Verrechnungsvereinbarung (verrekenbeding) erfreut sich unter denjenigen, die eine Güterrechtsvereinbarung abschließen, großer Beliebtheit. Die gesetzliche Teilhaberschaft (wettelijk deelgenootschap) wurde als drittes Güterrechtssystem durch die Verrechnungsvereinbarung mit Gesetz vom 14.3.2002 (Stb. 2002, 152) ersetzt. Das Gesetz ist am 1.9.2002 in Kraft getreten. Die gesetzliche Teilhaberschaft behält ihre Wirkung indes bei, wenn sie vor dem 1.9.2002 vereinbart wurde. Dieses System ist der deutschen Zugewinngemeinschaft ähnlich, kennt aber keine Inflationsanrechnung.
Rz. 34
Die Verrechnungsvereinbarung ist sehr beliebt. Es handelt sich um eine Vereinbarung zwischen Ehegatten, wobei die Ehegatten neben der Gütertrennung einander obligatorische Ansprüche auf das private Vermögen einräumen. Diese können während und/oder bei Auflösung der Ehe geltend gemacht werden. Das Ziel der Verrechnungsvereinbarung ist meistens, dass die Ehegatten trotz Beibehaltung ihrer güterrechtlichen Selbstständigkeit doch allmählich an der Vermögensvermehrung teilhaben, die sich während der Ehe infolge ihres Arbeitseinsatzes manifestieren kann. Mit dieser Vereinbarung versuchen die Ehegatten ihre güterrechtliche Selbstständigkeit zu behalten und eventuelle Schwierigkeiten, die sich aus einer Gütergemeinschaft ergeben könnten (z.B. Miteigentum, Inanspruchnahme durch Gläubiger, Ungenauigkeiten in der Verwaltung der Aktiva und Passiva), zu vermeiden.
Rz. 35
Bei den Verrechnungsmodellen während der Ehe (periodiek verrekenbeding) muss i.A. jährlich abgerechnet werden. Die Ehegatten wählen dabei häufig das Amsterdamer Modell, das die Abrechnung begrenzt auf den Teil des Erwerbseinkommens der Ehegatten, aber sie können die Verrechnung auch erweitern auf z.B. Einkünfte aus Vermögen (zuivere inkomsten) oder auch noch nicht ausgeschütteten Gewinn des eigenen Unternehmens (verrekening van opgepotte ondernemingswinsten, siehe Art. 1:141 Abs. 4 und 5 BW). In der Praxis führen die Verrechnungsvereinbarungen häufig zu Problemen, die vor Gericht gelöst werden müssen, weil die Ehegatten versäumt haben, sich rechtzeitig die Vermögenswerte des anderen Ehegatten darlegen zu lassen, sodass bei der Trennung nicht mehr festgestellt werden kann, wie die beiden (Privat-)Vermögen genau entstanden sind. Dafür gibt Art. 1:141 Abs. 3 BW in Verbindung mit Art. 1:136 BW eine Beweisvermutung. Um diese Probleme zu vermeiden, können die Ehegatten (auch) eine Verrechnung vereinbaren, die erst am Ende der Ehe stattfindet (finaal verrekenbeding), und je nach Wunsch die Verrechnung mehr oder weniger umfassend regeln, je nachdem wie die Eheauflösung stattfindet (Ehescheidung oder Tod).
Rz. 36
Kap. 2 von Titel 8 Buch 1 BW enthält – seit 1.9.2002 – die allgemeine Regelung für Verrechnungsvereinbarungen. Diese Regelung umfasst allerdings nur jene Aspekte, die für alle Verrechnungsvereinbarungen von Bedeutung sind. Sie besteht aus drei Unterteilungen:
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allgemeine Regelungen für Verrechnungsvereinbarungen (Art. 1:132–140 BW); |
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periodische Verrechnungsvereinbarungen (Art. 1:142 BW); |
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finale Verrechnungsvereinbarungen (Art. 1:142 und 143 BW). |
Rz. 37
Häufig enthalten Verrechnungsvereinbarungen Verfallsklauseln. Dies bedeutet, dass, wenn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraumes über das desbetreffende Jahr abgerechnet wird, der Anspruch auf Verrechnung verfällt. Um die Position des Verrechnungsgläubigers zu stärken, wird jedoch angenommen, dass diese Klauseln grundsätzlich nicht einberufen werden können, weil sie gegen die Redlichkeit verstoßen. Der andere Ehegatte kann diese Beweisvermutung jedoch entkräften.