Hella Slegt-Moens, Arlette R. van Maas de Bie
Rz. 10
Das Haager Abkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vom 1.8.1989 ist durch die Niederlande ratifiziert worden. Es ist aber mit Wirkung vom 1.4.2015 außer Kraft getreten. Allerdings gilt es noch für Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind. Dieses Übereinkommen ist einschlägig für die Frage, welches Recht auf die Erbfolge anzuwenden ist. Dies bezieht sich nach seinem Art. 1 Abs. 2 sowohl auf die gesetzliche Erbfolge als auch auf die testamentarische Erbfolge. Vom materiellen Anwendungsbereich ausgeschlossen sind jedoch die Form letztwilliger Verfügungen, die Befugnis, kraft letztwilliger Verfügung zu verfügen, das Ehevermögensrecht und die sog. will substitutes.
Rz. 11
Das Haager ErbrechtÜbk. hat einen universellen räumlich-persönlichen Anwendungsbereich (loi uniforme, Art. 2). Auch bei fehlenden Anknüpfungspunkten des Erblassers oder Nachlasses mit einem Vertragsstaat ist demzufolge das Übereinkommen anzuwenden. Zwar ist das Haager ErbrechtÜbk. selbst noch nicht in Kraft getreten, da die hierfür vorausgesetzten drei Ratifizierungen fehlen. Art. 1:145 Abs. 2 des niederländischen BW verweist jedoch auf die Kollisionsnormen dieses Übereinkommens. Daher werden die Kollisionsnormen des Haager ErbrechtÜbk. in den Niederlanden mittelbar angewandt. Weiter ergänzt das niederländische autonome Recht die Lücken des Haager ErbrechtÜbk., insbesondere enthalten die Art. 10:145–152 BW eine Regelung über die Näherberechtigung und die Abwicklung des Nachlasses (siehe hierzu Rdn 23, 26 ff.).
Rz. 12
Die Art. 10:147–150 BW sind einschlägig bei Nachlässen, die auf oder nach dem 1.10.1996 eröffnet worden sind (siehe Art. 10:152 Abs. 1 BW). Nach Art. 22 Haager ErbrechtÜbk. ist das Übereinkommen nur auf die Erbfolge von Personen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten im jeweiligen Mitgliedstaat verstorben sind. Für die Rechtswahlmöglichkeit des Erblassers ist jedoch in Art. 21 Abs. 2 Haager ErbrechtÜbk. eine Ausnahme gemacht worden. Im Fall einer Rechtswahl ist eine Rückwirkung möglich. Wenn der Erblasser vor Inkrafttreten des Übereinkommens eine Rechtswahl in Bezug auf die Erbfolge vorgenommen hat, wird diese Rechtswahl als wirksam erachtet, wenn sie wenigstens die Erfordernisse des Übereinkommens beachtet (Art. 10:152 Abs. 2 BW). Im Anschluss an Art. 22 Haager ErbrechtÜbk. bestimmt Art. 10:152 Abs. 1 BW, dass dieses Gesetz auf Personen anzuwenden ist, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens sterben. In Art. 152 Abs. 2 und 3 BW sind die Verweisungen auf die Erfordernisse der Art. 5 und 11 des Haager ErbrechtÜbk. wörtlich übernommen worden. Überdies bestimmt Art. 10:152 Abs. 4 BW, dass eine Rechtswahl, die vor dem 1.9.1996 (also vor Inkrafttreten des damaligen WCErf) getroffen worden ist, oder die Änderung einer solchen Rechtswahl, nicht deshalb unwirksam ist, weil sie zu einem Zeitpunkt getroffen wurde, in dem es noch keine rechtliche Grundlage für eine solche Wahlmöglichkeit gab. Sie wird nachträglich geheilt. Es gibt im Gegensatz zu Art. 10:152 Abs. 2 und Art. 10:152 Abs. 3 BW jedoch keine Einschränkung auf bestimmte Erfordernisse, die diese Rechtswahl erfüllen soll.