Rz. 26

Das Haager ErbrechtÜbk. enthält keine Kollisionsnorm für die Abwicklung des Nachlasses. Zur Ergänzung sind die im autonomen niederländischen IPR entwickelten Regeln zu beachten. In diesen wird die Abwicklung aus praktischen Gründen vom letzten gewöhnlichen Aufenthaltsrecht beherrscht. Sie sind in den Art. 10:149 und Art. 10:150 BW kodifiziert worden. Dabei handelt es sich um eine einseitige Kollisionsnorm. Artikel 10:149 BW bestimmt, dass niederländisches Recht für die Abwicklung des Nachlasses einschlägig ist, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatte.[14] Das niederländische IPR sagt nichts aus über den Fall, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte. Dazu soll das ausländische IPR zum Tragen kommen.[15] Insbesondere sind die niederländischen Vorschriften bezüglich der Haftung der Erben für die Schulden des Erblassers und die Voraussetzungen, unter denen sie diese Verpflichtung ausschließen oder beschränken können, einschlägig. Im Schrifttum ist jedoch an dieser Vorschrift Kritik geäußert worden, insbesondere deshalb, weil der Übergang der Schulden eigentlich vom Erbstatut umfasst sein sollte. Ebenfalls soll die Verteilung des Nachlasses vom niederländischen Recht erfasst werden, es sei denn, dass die Teilhaber gemeinsam das Recht eines anderen Staates als anzuwendendes Recht vereinbaren (Art. 10:149 Abs. 2 BW). Dabei sind selbstverständlich die güterrechtlichen Regelungen des Belegenheitsrechts zu berücksichtigen.

 

Rz. 27

Die Aufgaben und Befugnisse des Liquidators werden ebenfalls vom niederländischen Recht beherrscht, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatte (Art. 10:150 Abs. 1 BW). Artikel 10:150 Abs. 2 BW fügt hinzu, dass auf Antrag eines Interessenten der Richter eine Maßnahme in Bezug auf die in den Niederlanden belegenen Vermögensbestandteile des Nachlasses treffen kann, um sicherzustellen, dass das durch das Haager ErbrechtÜbk. angewiesene Erbrecht beachtet wird. Der Richter kann anordnen, dass Sicherheiten geleistet werden. Für den Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" wird auf die obigen Ausführungen (Rdn 17) verwiesen.

 

Rz. 28

Das niederländische IPR-Gesetz sagt nichts über den Fall aus, dass der Erblasser mittels einer Rechtswahl im Testament festgesetzt hat, welches Recht auf die Abwicklung seines Nachlasses anwendbar ist. Insbesondere in internationalen Fällen ist dies wichtig, da mehrere Rechte für die Anwendung in Betracht kommen und es demzufolge zur Kollision kommen kann. Meines Erachtens ist die Rechtswahl des Erblassers auch hier zu respektieren. Der niederländische Hoge Raad hat diesbezüglich ebenfalls die Rechtswahl zugunsten des niederländischen Rechts in Bezug auf die Abwicklung des Nachlasses in einem Testament genehmigt bei einem Erblasser mit niederländischer Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz.[16]

 

Rz. 29

 

Praxishinweis:

In der Praxis kommt es hin und wieder vor, dass die Erben einen Feststellungsvertrag dahingehend schließen, dass niederländisches Recht für die Abwicklung des Nachlasses einschlägig ist, insbesondere wenn der Erblasser im Ausland gestorben, das ausländische Recht schwer zu ermitteln und das Vermögen größtenteils in den Niederlanden belegen ist.

[14] So auch Rechtbank Haarlem, Sector Kanton, Locatie Zaandam 2.6.2006, NIPR 2006, 191.
[15] Marck, WPNR 2006, meint, dass dem Verslag van een schriftelijk overleg-Kamerstukken 23 857, nr. 7, S. 9 zu entnehmen sei, dass der niederländische Gesetzgeber es dem IPR des ausländischen Gesetzgebers überlasse.
[16] Hoge Raad 6.9.2013, ECLI:NL:HR:2013:BY5241, NJ 2014, 58.

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