Prof. Dr. Barbara E. Reinhartz, Dr. Paul Vlaardingerbroek
Rz. 135
Art. 815–828, § 1 Titel 6 von Buch 3 der niederländischen ZPO (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, Rv) regelt das Verfahren in Ehescheidungsangelegenheiten. Obwohl der Gesetzgeber für sämtliche familienrechtliche Verfahren ein Antragsverfahren angestrebt hat, sind dennoch in manchen Fällen Verfahren noch immer auf Ladung anzuwenden. Zu denken ist an das "kort geding" und an das Verfahren zur Verteilung der Gütergemeinschaft oder anderer gemeinsamer Vermögensgegenstände. Die Ehescheidung wird durch die Eintragung der (richterlichen) Entscheidung in die Zivilstandsregister wirksam (Art. 1:163 BW). Der Richter erfüllt damit eine zentrale Rolle, er tritt seit jeher streitschlichtend auf. Eine Reihe von Gerichten verfügt über getrennte Abteilungen für Familienrechtssachen, manchmal sind diese organisatorisch dem Zivilrecht zugeordnet. Grundsätzlich gilt Anwaltszwang (Art. 79 und 278/282 Rv). Art. 278 Abs. 2 Rv regelt lediglich die Unterzeichnung von Schriftsätzen; die obligatorische Prozessvertretung beschränkt sich daher auf Antrag und Einwendung.
Rz. 136
Die Ehescheidung kann nur durch die Ehegatten selbst bzw. durch sie gemeinsam, aber nicht durch dritte Personen beantragt werden (Art. 1:150 BW). Es kommt praktisch nie vor, dass dritte Personen in das Ehescheidungsverfahren einbezogen werden. Zu Fragen des Kindesunterhalts im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren, aber auch im getrennten Verfahren über den Kindesunterhalt müssen Kinder, die älter als 16 Jahre sind, stets gehört werden, während jüngere Kinder gehört werden dürfen. In anderen Angelegenheiten, die den Minderjährigen betreffen, wie bspw. die Umgangsregelung, müssen Kinder, die älter als 12 Jahre sind, gehört werden, während jüngere Kinder gehört werden dürfen. Aus dem verpflichtenden Elternschaftsplan (siehe Rdn 76 ff.) muss für den Richter deutlich sein, wie das Kind von den Eltern in diesen Plan einbezogen ist.
Rz. 137
In Ehescheidungsangelegenheiten (einschließlich der Aufhebung einer registrierten Partnerschaft, Art. 828 Rv) kann jeder Ehegatte vorläufige Maßnahmen beantragen (Art. 821–826 Rv). Solche Maßnahmen haben einen vorläufigen Charakter mit Ordnungsfunktion und verfolgen den Zweck, Schwierigkeiten aufgrund des Scheidungsverfahrens zu begegnen.
Rz. 138
Das Antragsverfahren beginnt durch das Einreichen eines unterzeichneten Antrags bei Gericht (Art. 278 Abs. 2 Rv). Handelt es sich um eine Scheidung mit minderjährigen Kindern, so ist auch der Elternschaftsplan einzureichen (siehe Rdn 76 ff.). Anschließend wird die Gegenpartei zur Stellungnahme aufgefordert; dies ist in den Art. 271–277 Rv geregelt. Art. 278 Rv enthält die Voraussetzungen, die eine Antragsschrift erfüllen muss (Art. 815 ff. Rv für einseitige und gemeinsame Antragsschriften in Scheidungssachen enthalten teils die gleichen, teils spezifische Vorschriften). Art. 827 Rv zählt verschiedene Scheidungsfolgen auf, welche sind: Ehegattenunterhalt, Aufteilung der Gütergemeinschaft, Maßnahmen in Bezug auf minderjährige Kinder (elterliche Sorge, Umgang, Information, Meinungsäußerung und Kindesunterhalt), Nutzung der Ehewohnung (Art. 1:165 BW) sowie Verwendung des Inventars und Zuerkennung eines Mietrechts. Grundsätzlich kann der andere Ehegatte bis zum Beginn der Verhandlung oder, wenn der Richter es erlaubt, im Laufe der Verhandlung einen Schriftsatz mit Einwendungen einreichen (Art. 282 Rv). In Bezug auf das selbstständige Unterhaltsverfahren und das Ehescheidungsverfahren (anders als auf gemeinsamen Antrag hin) werden in der Ladung Einwendungsfristen genannt (Art. 801 Abs. 1 und 816 Abs. 1 Rv). Die Bezirksgerichte und die Oberlandesgerichte haben miteinander Prozessverfahrensregelungen verabredet, die in aktualisiert werden sollten, aber die technische Umsetzung der neuen Vorschriften ("KEI") war offensichtlich viel komplizierter als erwartet, sodass die Änderungen bisher bescheiden geblieben sind.
Rz. 139
Die mündliche Verhandlung hat u.a. zum Ziel, (finanzielle) Angaben zu prüfen bzw. fehlende zu ergänzen. Das Ziel einer mündlichen Verhandlung besteht hauptsächlich darin, die umstrittenen Bereiche zu besprechen und mit Hilfe der Anwälte einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Der Rechtsuchende wird bewusst so weit wie möglich in das Verfahren einbezogen. Das in der ZPO geregelte Beweisrecht für die Verfahren auf Ladung (Art. 149 ff. Rv) wird prinzipiell auf alle familienrechtlichen Verfahren angewendet. Art. 150 Rv enthält die Grundregel der Beweislastverteilung: Die Partei, die sich auf die Rechtsfolgen der von ihr behaupteten Fakten oder beanspruchten Rechte beruft, trägt hierfür die Beweispflicht. Der Beweis kann mit allen Mitteln erbracht werden, es sei denn, das Gesetz sieht Abweichendes vor (Art. 152 Abs. 1 Rv).
Rz. 140
Im Antragsverfahren bestimmt der Richter von Amts wegen, meistens in der mündlichen Verhandlung, den Entscheidungstermin (Art. 286 Rv). Der Richter entscheidet i.d.R. innerhalb von zwei bis vier Wochen. Die Entscheidung i...