Hella Slegt-Moens, Arlette R. van Maas de Bie
Rz. 33
Ob der Ehegatte in den Niederlanden als gesetzlicher Erbe behandelt werden kann, ist von der Vorfrage abhängig, ob die Ehe wirksam geschlossen worden ist. Gelegentlich kommt es vor, dass die Ehe nicht wirksam geschlossen ist. Dies tritt insbesondere auf, wenn es sich um eine gemischt-nationale Ehe handelt, die Ehe im Ausland geschlossen worden ist und die Formvorschriften nicht beachtet worden sind oder die ausländische Ehe im Inland aus anderen Gründen nicht anerkannt werden kann.
Rz. 34
Im internationalen Eherecht sind drei Fragen zu erörtern:
1. |
Waren die Ehegatten befugt, eine Ehe zu schließen? |
2. |
Welchem Recht unterliegt die Form der Eheschließung? |
3. |
Ist eine im Ausland geschlossene Ehe im Inland anzuerkennen? |
Rz. 35
Diese Fragen werden durch das Haager Eheübereinkommen vom 14.3.1978 und Art. 10:27–34 BW geregelt. Das Ausführungsgesetz Wet Conflictenrecht Huwelijk zum Haager Eheübereinkommen ist am 1.1.2012 in Buch 10 BW aufgenommen worden. Gemäß Art. 10:28 BW wird die Ehe vollzogen, wenn jeder der künftigen Ehegatten die Voraussetzungen des niederländischen Rechts erfüllt.
Rz. 36
In den Niederlanden kann die Ehe wirksam nur durch den Standesbeamten geschlossen werden (Art. 10:30 BW, lex loci celebrationis). Dies ist eine zwingende Formvorschrift. Ausgenommen sind allerdings Befugnisse der ausländischen diplomatischen Beamten und der Konsularbeamten, die in Übereinstimmung mit dem Recht des durch ihnen vertretenen Staates an der Eheschließung mitwirken können. Voraussetzung ist, dass keiner der künftigen Ehegatten die niederländische Staatsangehörigkeit innehat.
Praxishinweis:
So gibt es in der niederländischen Rechtsprechung mehrere Fälle, in denen die im Konsulat geschlossene Ehe für unwirksam gehalten wurde, weil einer der Ehegatten nebst der ausländischen Staatsangehörigkeit auch die niederländische Staatsangehörigkeit innehatte. Die Ehegatten waren sich gar nicht bewusst, dass die Ehe nicht wirksam zustande gekommen war. Dies stellte sich erst nach dem Tode eines der beiden Ehegatten heraus. Die Folgen der Unwirksamkeit der Ehe sind dramatisch und können nicht mehr geheilt werden. So wird der hinterbliebene Ehegatte nicht als gesetzlicher Erbe angesehen, die Kinder der Ehegatten sind nicht aus der Ehe geboren, der/die Witwe bekommt keine Witwenrente usw.
Rz. 37
Eine im Ausland geschlossene Ehe wird gem. Art. 10:31 Abs. 1 BW in den Niederlanden anerkannt, wenn die Eheschließung wirksam war oder im Nachhinein wirksam geworden ist. Die Ehe wird als wirksam vermutet, wenn eine Eheerklärung vor einer dazu befugten Autorität abgegeben worden ist (Art. 10:31 Abs. 4 BW). Die im Ausland geschlossene Ehe wird jedoch nicht im Inland anerkannt, wenn diese gegen den niederländischen ordre public verstößt. Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung liegt gem. Art. 10:32 BW jedenfalls dann vor, wenn einer der künftigen Ehegatten das Alter von 18 Jahren noch nicht erreicht hat, es sei denn, dass im Zeitpunkt der Anerkennung der Ehe beide Ehegatten bereits 18 Jahre alt sind. Auch liegt ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung vor, wenn die Ehegatten miteinander leiblich oder durch Adoption in gerade Linie verwandt oder leiblich Bruder und Schwester sind (es sei denn, die familienrechtliche Beziehung ist aufgehoben wegen fehlender biologischer Verwandtschaft oder Widerrufung der Adoption), die freie Zustimmung eines der beiden fehlt oder das Geistesvermögen eines von ihnen dergestalt eingeschränkt ist, dass er nicht imstande ist, seinen Willen zu bestimmen oder die Bedeutung seiner Erklärung zu verstehen. Überdies gilt das Prinzip der Monogamie: Eine Person kann zugleich nur mit einer anderen Person verheiratet sein. Bigamische Ehen werden nicht anerkannt, wenn ein Ehegatte die niederländische Staatsangehörigkeit innehat oder in den Niederlanden seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (es sei denn, die frühere Ehe ist geschieden oder nichtig erklärt).