Erwin Rademakers, Diane de Vries
Rz. 151
Art. 2:227 Abs. 1 NL-BGB bestimmt, dass das Versammlungsrecht (vergaderrecht) das Recht beinhaltet, persönlich oder in Vertretung mit einer schriftlichen Vollmacht bei der Hauptversammlung anwesend zu sein und dort zu sprechen. Abs. 2 bestimmt die versammlungsberechtigten Personen näher: Bei den versammlungsberechtigten Personen handelt es sich um (1) Gesellschafter, (2) Inhaber eines Zertifikats, mit dem aufgrund des Gesellschaftsvertrags Versammlungsrechte gebunden sind, (3) Gesellschafter, die wegen eines Nießbrauchrechts oder Pfandrechts keine Stimmrechte (mehr) haben, und (4) Pfandgläubiger oder Nießbraucher, die Stimmrechte ausüben dürfen. Pfandgläubiger oder Nießbraucher, die kein Stimmrecht ausüben dürfen, haben ein Versammlungsrecht, wenn der Gesellschaftsvertrag dies so bestimmt und bei der Übertragung oder dem Entstehen des Pfandrechts bzw. Nießbrauchs nichts anderes bestimmt wurde. Art. 2:227 Abs. 3 NL-BGB bestimmt, dass jeder Gesellschafter befugt ist (persönlich oder aufgrund einer schriftlichen Vollmacht vertreten), das ihm zustehende Stimmrecht in der Hauptversammlung auszuüben. Nach Abs. 5 kann die Befugnis, sich von einem Rechtsanwalt, Notar, Notaranwärter, Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfer-Konsulent vertreten zu lassen, nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 152
Gem. Art. 2:227 Abs. 7 NL-BGB hat die Geschäftsführung (und eventuell der Aufsichtsrat) eine beratende Stimme in der Hauptversammlung. Aus diesem Grund muss sie aufgefordert werden, vor allem, wenn die Hauptversammlung nicht von der Geschäftsführung oder vom Aufsichtsrat selbst einberufen wurde, während der Hauptversammlung zu den Themen der Tagesordnung zu sprechen. Beschlüsse zu Tagesordnungspunkten, zu denen der Geschäftsführung oder dem Aufsichtsrat nicht die Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde, sind gem. Art. 2:15a NL-BGB anfechtbar.
Rz. 153
Laut Art. 2:228 Abs. 5 NL-BGB kann die Satzung bestimmen, dass mit Geschäftsanteilen kein Stimmrecht in der Hauptversammlung verbunden ist. Eine derartige Regelung bezieht sich auf alle Geschäftsanteile einer besonderen Art oder Bezeichnung. Inhaber von stimmrechtslosen Geschäftsanteilen wie auch Gesellschafter, die Geschäftsanteile einer anderen besonderen Art oder Bezeichnung haben, werden durch Art. 2:231 Abs. 4 NL-BGB geschützt. Dieser Artikel bestimmt, dass ein Beschluss zur Satzungsänderung, der Rechte dieser Gesellschafter beschränkt, die ausdrückliche Zustimmung dieser Gruppe von Gesellschaftern benötigt. Dies gilt nicht, wenn zum Zeitpunkt der Erteilung dieses bestimmten Rechts die Befugnis zur Änderung ausdrücklich vorbehalten war.
Rz. 154
Nur die Gesellschafter haben ein Stimmrecht und jeder Gesellschafter hat mindestens eine Stimme (Art. 2:228 Abs. 1 NL-BGB). Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmen, dass ein Gesellschafter sein Stimmrecht nicht ausüben darf, solange er eine gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Verpflichtung nicht erfüllt hat. Das Recht der Geschäftsführung (und des Aufsichtsrats), bei der Hauptversammlung anwesend zu sein und zu sprechen, soll in keinerlei Weise als Stimmrecht betrachtet werden.
Rz. 155
Art. 2:228 Abs. 2 NL-BGB bestimmt, dass, falls das Kapital der Gesellschaft in Geschäftsanteile mit demselben Nennbetrag aufgeteilt ist, jeder Gesellschafter so viel Stimmen hat, als er Geschäftsanteile hat. Ist das Kapital in Geschäftsanteile mit unterschiedlichem Nennbetrag aufgeteilt, haben die Gesellschafter Stimmrechte im Verhältnis der Nennwerte der Geschäftsanteile zueinander (Art. 2:228 Abs. 3 NL-BGB). Ein Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von 100 EUR trägt also zehn Mal so viele Stimmrechte wie ein Geschäftsanteil mit einem Nennbetrag von 10 EUR. Da eine Stimme nicht teilbar ist, werden nur volle Quotienten gezählt. Nach Abs. 4 kann von Abs. 2 und 3 im Gesellschaftsvertrag abgewichen werden. Die Gesellschaft selbst oder ihre Tochtergesellschaft(en) dürfen ihr Stimmrecht nicht ausüben, soweit sie auf eigene Geschäftsanteile entfallen (Art. 2:228 Abs. 6 NL-BGB).
Rz. 156
Die Gültigkeit der Beschlüsse ist im Allgemeinen nicht abhängig von dem auf der Hauptversammlung vertretenen Kapital. Sofern das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag keine größere Mehrheit vorschreibt, werden Beschlüsse mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst (Art. 2:230 Abs. 1 und Abs. 2 NL-BGB). Der Gesellschaftsvertrag kann für bestimmte Beschlüsse eine größere Mehrheit vorschreiben, z.B. für Verschmelzungen oder Satzungsänderungen. Es ist möglich, bestimmte Gesellschafterbeschlüsse der Einstimmigkeit zu unterwerfen. Die Aufnahme einer Regelung in den Gesellschaftsvertrag ist möglich, wonach ein bestimmter Teil des Kapitals der Gesellschaft vertreten sein muss, um gültige Beschlüsse fassen zu können (Beschlussfähigkeit (quorum)).
Rz. 157
Die Geschäftsführung ist verpflichtet, über die Gesellschafterbeschlüsse Buch zu führen und die gefassten Gesellschafterbeschlüsse in den Geschäftsräumen der Gesellschaft auszulegen. Jeder Gesellschafter und Versammlu...