Erwin Rademakers, Diane de Vries
I. Überblick über das Gründungsverfahren
1. Praktischer Leitfaden für die Gründung
Rz. 21
Die B.V. kann von einer oder mehreren Personen gegründet werden. Der Gründungsakt muss notariell beurkundet werden. Die Gründungsurkunde (akte van oprichting), die in niederländischer Sprache abgefasst ist, besteht aus drei Teilen: Der erste Teil enthält die Identifikation der Gründer und ersten Gesellschafter durch den Notar und die Erklärung ihrer Absicht, eine B.V. zu gründen. Der zweite Teil enthält den Gesellschaftsvertrag (statuten) der B.V. Der dritte Teil enthält die Angabe der Anzahl der Geschäftsanteile und üblicherweise die Namen der von den Gründern ernannten ersten Geschäftsführer (Art. 2:175 Abs. 2, Art. 176 und Art. 2:177 Abs. 1 NL-BGB). Nach Art. 2:175a Abs. 1 NL-BGB Vorentwurf kann die B.V. auf elektronischem Weg gegründet werden. Abs. 2 bestimmt, dass für die Anwendung von Abs. 1 ein Muster i.S.v. Art. 53c Wna Vorentwurf verwendet werden kann (siehe Rdn 18). Gemäß Art. 13i Abs. 2 Richtlinie (EU) 2017/1132 i.d.F. der Richtlinie (EU) 2019/1151 müssen Personen, die sich bei einer Online-Gründung zum Geschäftsführer bestellen lassen möchten, angeben, ob ihnen in einem anderen Mitgliedstaat eine Geschäftsführungsdisqualifikation wegen einer der in Art. 2:175a Abs. 6 NL-BGB Vorentwurf genannten Gründe auferlegt wurde. Diese Gründe sind Art. 106a Insolvenzgesetz (Faillisementswet) entnommen (siehe Rdn 202). Für die Dauer der Disqualifikation ist eine Bestellung als Geschäftsführer ausgeschlossen. Ist mehr als eine Person an der Gründung der B.V. beteiligt, schließen die Beteiligten i.d.R. einen Vorvertrag ab. Ein derartiger Vorvertrag ist aber nicht die eigentliche Gründungshandlung.
Rz. 22
Das Kapital der B.V. müssen eine oder mehrere Personen zeichnen. Meistens wird der Gründer selbst mitzeichnen, erforderlich ist das aber nicht. Die Personen, die bei der Gründung Kapital der B.V. zeichnen, müssen die Gründungsurkunde unterzeichnen (Art. 2:175 Abs. 2 NL-BGB).
2. Gründung vom Ausland aus
Rz. 23
Eine B.V. kann insofern bereits vom Ausland aus gegründet werden, als die ausländischen Gründer sich durch eine schriftliche Vollmacht in den Niederlanden vertreten lassen können. Es gilt aber, dass die notarielle Gründungsurkunde nur von einem niederländischen Notar in den Niederlanden beurkundet werden kann, wenn alle Voraussetzungen, die zur Gründung einer B.V. notwendig sind, erfüllt sind. Wie vorstehend ausgeführt (siehe Rdn 17 ff.), wird die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1151 an diesem Erfordernis nichts ändern.
3. Vorratsgesellschaften
Rz. 24
Statt eine neue B.V. zu gründen gibt es auch die Möglichkeit, eine Vorratsgesellschaft zu kaufen. Dabei kann man zwischen zwei Formen der sog. leeren B.V.s wählen: solchen, die schon im Handelsverkehr aktiv waren, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist. Wird anstelle der Gründung eine Vorratsgesellschaft genutzt, wird fast immer eine Änderung des Gesellschaftsvertrags der Vorratsgesellschaft erforderlich sein. Nach niederländischem Recht kann der Gesellschaftsvertrag nur in einer Notariatsurkunde geändert werden. Außerdem können die Geschäftsanteile der Vorratsgesellschaft wirksam auch nur in einer Notariatsurkunde übertragen werden. Die "Gründung" mittels Erwerbs einer Vorratsgesellschaft hat Vor- und Nachteile. Im Allgemeinen gilt, dass in den letzten Jahren diese Form der "Gründung" immer weniger benutzt wird, dies u.a. deshalb, weil mittlerweile einige ehemals strengere Anforderungen bei der Gründung einer B.V. entfallen sind: (1) Das Erfordernis einer Unbedenklichkeitserklärung besteht seit 1.7.2011 nicht mehr (siehe Rdn 36) und (2) die Bestätigung über die Einzahlung des eingezahlten (Mindest-)Kapitals ist seit dem Inkrafttreten des Flex-B.V.-Gesetzes nicht mehr erforderlich.
4. Rechtspersönlichkeit
Rz. 25
Die B.V. erlangt Rechtspersönlichkeit in dem Moment, in dem die Gründungsurkunde vom Notar beurkundet wird. Die Eintragung in das Handelsregister ist nach niederländischem Recht keine konstitutive Voraussetzung, um Rechtspersönlichkeit zu erlangen.
5. Vorgesellschaft
Rz. 26
Es ist möglich, dass die Gründer oder ein Dritter schon vor der tatsächlichen Gründung Rechtsgeschäfte im Namen der noch zu gründenden B.V. abschließen. Man spricht in diesem Fall von der B.V. i.o. (besloten vennootschap in oprichting). Eine derartige Vorgesellschaft hat aber keine Rechtspersönlichkeit.
Rz. 27
Aus Rechtsgeschäften, die vor der Gründung von dem Gründer oder von Dritten im Namen der noch zu gründenden B.V. (B.V. i.o.) eingegangen sind, können nur Rechte und Verpflichtungen für die B.V. entstehen, wenn diese Rechtsgeschäfte nach der Gründung ausdrücklich oder stillschweigend durch die B.V. bestätigt werden (Art. 2:203 Abs. 1 NL-BGB) (siehe Rdn 84).
Nach Art. 2:203 Abs. 4 NL-BGB können die Gründer in der Gründungsurkunde die B.V. nur für bestimmte Handlungen unmittelbar verpflichten. Es handelt sich dabei u.a. um:
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die Ausgabe der Geschäftsanteile; |
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die Annahme der Einzahlung auf die Geschäftsanteile; |
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die Bestellung der ... |