Rz. 198

Die Geschäftsführer der B.V. können im Insolvenzfall individuell für die Verluste der Gesellschaft haftbar gemacht werden, wenn der Eintritt der Insolvenz in hohem Maße auf die offensichtlich unsachgemäße Erfüllung der Aufgaben durch die Geschäftsführung während des Zeitraums von drei Jahren vor Eintritt der Insolvenz zurückzuführen ist (Art. 2:248 NL-BGB).

 

Rz. 199

Nach niederländischem Recht hat die Geschäftsführung die Bücher so zu führen, dass die Rechte und Pflichten der Gesellschaft jederzeit erkennbar sind (Art. 2:10 NL-BGB). Außerdem müssen der Jahresabschluss und weitere finanzielle Informationen (z.B. der Bericht der Geschäftsführung und die Erklärung der Wirtschaftsprüfer (Art. 2:394 Abs. 4 i.V.m. Art. 2:392 NL-BGB)) über die Gesellschaft innerhalb von acht Tagen, nachdem der Jahresabschluss von der Hauptversammlung festgestellt wurde, zum Handelsregister eingereicht werden (Art. 2:394 Abs. 1 und Abs. 4 NL-BGB). Falls eine dieser zwei Verpflichtungen von der Geschäftsführung nicht erfüllt wurde, greifen zwei gesetzliche Vermutungen ein:

Die unwiderlegliche Vermutung, dass die Geschäftsführungsaufgaben offensichtlich unsachgemäß erfüllt werden; und
die widerlegliche Vermutung, dass diese offensichtlich unsachgemäße Erfüllung der Geschäftsführungsaufgaben eine wichtige Ursache dafür ist, dass die Gesellschaft in die Insolvenz geraten ist.
 

Rz. 200

Unter solchen Umständen haften demzufolge die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch für das Defizit der Insolvenzmasse der Gesellschaft. Nach Art. 2:248 Abs. 3 NL-BGB kann ein Geschäftsführer die Haftung nur vermeiden, wenn er beweisen kann, dass

ihn an der unsachgemäßen Geschäftsführung kein Verschulden trifft; und
er es nicht versäumt hat, Maßnahmen zur Vorbeugung gegen die Folgen der unsachgemäßen Erfüllung der Aufgaben zu treffen.
 

Rz. 201

Nur der Insolvenzverwalter kann diese Klage i.S.v. Art. 2:248 NL-BGB erheben. Nur unsachgemäße Erfüllung der Aufgaben während des Zeitraums von drei dem Eintritt der Insolvenz vorangehenden Jahren kann zur Begründung der Klage herangezogen werden. Das Gericht ist befugt, den Betrag, für den die Geschäftsführer entweder gesamtschuldnerisch oder individuell haften, zu ermäßigen (Art. 2:248 Abs. 4 NL-BGB). Der Insolvenzverwalter kann auch eine Klage gegen Personen erheben, die so gehandelt haben, als wären sie Geschäftsführer der Gesellschaft (faktische Geschäftsführer). Weiter gilt diese Regelung auch für Mitglieder des Aufsichtsrats (Art. 2:259 NL-BGB).

 

Rz. 202

Am 1.7.2016 trat das Gesetz zur zivilrechtlichen Geschäftsführungsdisqualifikation[58] (Wet van 8 april 2016 tot wijziging van de Faillissementswet in verband met de invoering van de mogelijkheid van een civielrechtelijk bestuursverbod (Wet civielrechtelijk bestuursverbod)) in Kraft. Die Art. 106a bis 106e Insolvenzgesetz enthalten Regeln über eine Geschäftsführungsdisqualifikation. Das Gesetz soll u.a. einer betrügerischen Geschäftsführung vorbeugen. Auf Anweisung der Insolvenzverwalter oder auf Verlangen der Staatsanwaltschaft kann das Gericht eine Disqualifikation aussprechen. Die Gründe, auf die eine Disqualifikation gestützt werden kann, sind in Art. 106a Insolvenzgesetz festgelegt. Vorgesehen ist etwa der Fall, dass ein (ehemaliger) Geschäftsführer während oder in den drei Jahren vor dem Eintritt der Insolvenz der B.V. durch unwiderrufliche gerichtliche Entscheidung zur Haftung für sein Handeln oder Unterlassen i.S.v. Art. 2:248 NL-BGB verurteilt wurde. Art. 106b Abs. 1 Insolvenzgesetz bestimmt, dass Geschäftsführer, denen eine Disqualifikation auferlegt wurde, während eines Zeitraums von maximal fünf Jahren nicht als Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder einer privatrechtlichen Rechtsperson bestellt werden können, es sei denn, das Disqualifikations-Urteil enthält entsprechende Ausnahmen. Eine Bestellung bei unwiderruflicher Disqualifikation ist nichtig. Das unwiderrufliche Disqualifikations-Urteil wird vom zuständigen Gericht unverzüglich an die Handelskammer weitergeleitet. Die Handelskammer trägt den Geschäftsführer umgehend aus dem Handelsregister aus. Außerdem wird die Disqualifikation für die Dauer ihrer Geltung im Handelsregister registriert (Art. 106b Abs. 3 Insolvenzgesetz).

 

Rz. 203

Gemäß Art. 106d Abs. 1 Insolvenzgesetz sind die Art. 106a bis 106c Insolvenzgesetz auch auf faktische Geschäftsführer anzuwenden. Bei einer B.V. mit monistischer Geschäftsführung (siehe Rdn 192) wird nach Art. 106d Abs. 2 Insolvenzgesetz ein ausführender Geschäftsführer einem Geschäftsführer gleichgestellt.

 

Rz. 204

Art. 13 Richtlinie (EU) 2017/1132 i.d.F. der Richtlinie (EU) 2019/1151 enthält Bestimmungen über die Disqualifikation von Geschäftsführern. Laut Art. 13i Abs. 1 Satz 1 Richtlinie (EU) 2017/1132 i.d.F. der Richtlinie (EU) 2019/1151 müssen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass Vorschriften bestehen, nach denen Geschäftsführer disqualifiziert werden können. Wie vorstehend beschrieben, kennt das niederländische Recht solche Vorschriften. Art. 13i Ab...

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