Erwin Rademakers, Diane de Vries
Rz. 1
Das niederländische Recht kennt verschiedene Gesellschaftsformen. Es unterscheidet zwischen Gesellschaftsformen, die rechtsfähige Rechtspersonen (juristische Personen) sind, und solchen, die als Nicht-Rechtspersonen bezeichnet werden. Im niederländischen Recht besitzen folgende private Gesellschaftsformen Rechtspersönlichkeit (rechtspersoonlijkheid) (im Folgenden auch: Rechtspersonen (rechtspersonen)):
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die "naamloze vennootschap" – N.V. (vergleichbar mit der Aktiengesellschaft – AG) (im Folgenden: N.V.); |
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die "besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid" – B.V. (vergleichbar mit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung – GmbH) (im Folgenden: B.V.); |
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die "vereniging" (vergleichbar mit der Vereinigung) (im Folgenden: Vereinigung); |
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die "coöperatie" (vergleichbar mit der Genossenschaft) (im Folgenden: Genossenschaft); |
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die "onderlinge waarborgmaatschappij" (vergleichbar mit dem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) (im Folgenden: Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit); |
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die "stichting" (vergleichbar mit der Stiftung) (im Folgenden: Stiftung). |
Außer in Rdn 15 wird auf die Personengesellschaften (z.B. die "commanditaire vennootschap" – C.V. (vergleichbar mit der Kommanditgesellschaft; im Folgenden: C.V.) und die "vennootschap onder firma" – V.O.F. (vergleichbar mit der offenen Handelsgesellschaft; im Folgenden: V.O.F.)) in diesem Beitrag nicht näher eingegangen.
Rz. 2
Eine grundsätzliche Entscheidung bei der Gründung eines Unternehmens in den Niederlanden ist, ob die Gesellschaftsform, in der man das Unternehmen betreiben möchte, Rechtspersönlichkeit haben soll oder nicht. Bei Gesellschaftsformen, die keine Rechtspersönlichkeit haben, wie z.B. ein Ein-Personen-Unternehmen, die C.V. oder die V.O.F., haften die Gründer bzw. die (geschäftsführenden) Gesellschafter selbst für die Verpflichtungen, die für das Unternehmen und in dessen Namen eingegangen werden.
Entscheidet man sich für eine Rechtsperson, ist sodann zu entscheiden, welche Rechtsperson für die Art des Unternehmens am besten geeignet ist. Diese Entscheidung kann frei getroffen werden; es ist z.B. auch möglich, ein Unternehmen in der Rechtsform einer Stiftung zu betreiben. Gemäß Art. 2:285 Abs. 3 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches (im Folgenden: NL-BGB) ist es einer Stiftung aber verboten, Gewinnausschüttungen an die Gründer oder an Personen, die ein Teil der Organisation der Stiftung sind, als Gegenstand zu haben. Aufgrund dieses Verbots ist die Stiftung für den Betrieb eines Unternehmens weniger geeignet. Ausschüttungen an Dritte sind erlaubt, falls die Ausschüttungen einen gemeinnützigen oder sozialen Zweck haben.
Rz. 3
Die Vereinigung kennt ebenfalls das Verbot, Gewinne an ihre Mitglieder auszuschütten (Art. 2:26 Abs. 3 NL-BGB), und ist deshalb ebenfalls nicht für den Betrieb eines kommerziellen Unternehmens geeignet. Die Genossenschaft und der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sind besondere Formen der Vereinigung und wurden ursprünglich für bestimmte Zwecke benutzt. So besteht der Zweck des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit darin, Versicherungen für ihre Mitglieder abzuschließen. Die Zusammenarbeit von Bauern fand früher oftmals in einer Genossenschaft statt, wobei die Genossenschaft befugt war, im Namen ihrer Mitglieder Verträge abzuschließen. Sowohl der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit als auch die Genossenschaft sind Rechtsformen, die man wegen ihrer beschränkten Anwendungsmöglichkeiten heutzutage nicht mehr oft vorfindet. Andererseits ist erwähnenswert, dass sich die Genossenschaft in letzter Zeit wegen bestimmter steuerrechtlicher Bestimmungen eines größeren Interesses erfreuen darf. Auch wird die Genossenschaft in letzter Zeit verwendet für Bürgerinitiativen, z.B. im Rahmen der Energiewende.
Rz. 4
Die B.V. und die N.V. haben viele Ähnlichkeiten, unterscheiden sich jedoch in der Anforderung an das Mindestkapital. Bei der N.V. muss das gezeichnete und eingezahlte Gesellschaftskapital (geplaatst en gestort kapitaal) mindestens 45.000 EUR betragen. Die B.V. kennt zwar kein gesetzliches Mindestkapitalerfordernis (mehr). Aber eine B.V. muss mindestens einen Geschäftsanteil ausgeben, und dieser Geschäftsanteil soll einen Wert haben. Der Mindestwert und damit das Mindestkapitalerfordernis ist deswegen im praktischen Sinne 0,01 EUR.