Erwin Rademakers, Diane de Vries
1. Hauptversammlung
Rz. 143
Für alle Angelegenheiten innerhalb der Grenzen des Gesetzes und des Gesellschaftsvertrags, die nicht der Geschäftsführung oder anderen zugewiesen sind, ist die Hauptversammlung zuständig (Art. 2:217 Abs. 1 NL-BGB). Mindestens einmal im Geschäftsjahr (boekjaar) wird eine Hauptversammlung einberufen (Art. 2:218 NL-BGB). Dieses Erfordernis wird auch erfüllt, wenn Beschlüsse gem. Art. 2:210 Abs. 5 oder Art. 2:238 Abs. 1 NL-BGB gefasst werden (siehe Rdn 150). Üblicherweise wird während dieser Hauptversammlung der Jahresabschluss der Gesellschaft, nach dem sich die Gewinnausschüttung bemisst, besprochen und festgestellt.
2. Einberufung und Formalien
Rz. 144
In der Regel ist die Geschäftsführung (oder der Aufsichtsrat, wenn dieser bestellt worden ist) befugt, die Hauptversammlung einzuberufen. Der Gesellschaftsvertrag kann diese Befugnis auch anderen erteilen (Art. 2:219 NL-BGB).
Rz. 145
Auch Art. 2:220 NL-BGB wurde durch das Flex-B.V.-Gesetz geändert. Nach dem heutigen Art. 2:220 Abs. 1 NL-BGB haben Gesellschafter, die mindestens 1 % des gezeichneten Kapitals vertreten, das Recht, bei der Geschäftsführung und beim Aufsichtsrat schriftlich (d.h. auch elektronisch) zu beantragen, eine Hauptversammlung einzuberufen. Dabei haben die Antragsteller genau anzugeben, welche Themen in der Hauptversammlung behandelt werden sollen. Die Geschäftsführung und der Aufsichtsrat sollen Maßnahmen treffen, die es ermöglichen, die Hauptversammlung innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen nach Antragstellung stattfinden zu lassen, es sei denn, ein schwerwiegendes Interesse der B.V. steht der Einberufung der Hauptversammlung entgegen. Der Gesellschaftsvertrag kann bestimmen, dass die Anforderung hinsichtlich des Umfangs des vertretenen gezeichneten Kapitals niedriger ist und dass der Zeitraum, in dem die Hauptversammlung einberufen werden muss, kürzer ist. Andere Versammlungsberechtigte haben ebenfalls das Recht zur Einberufung einer Versammlung (Art. 2:220 Abs. 2 NL-BGB).
Rz. 146
Kommen die Geschäftsführung oder der Aufsichtsrat dem Antrag nicht nach, so haben die Antragsteller nach Art. 2:220 Abs. 1 NL-BGB die Möglichkeit, bei dem zuständigen Gericht die Ermächtigung zu beantragen, selbst eine Hauptversammlung einzuberufen. Nach Art. 2:221 Abs. 1 NL-BGB wird der Richter die Ermächtigung aussprechen, wenn nach Vernehmung oder Vorladung der Gesellschaft die Antragsteller zumindest nachgewiesen haben, dass die Anforderungen von Art. 2:220 NL-BGB erfüllt worden sind und dass die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einberufung der Hauptversammlung haben. Die Ermächtigung wird versagt, wenn ein schwerwiegendes Interesse der B.V. der Einberufung der Hauptversammlung entgegensteht.
Rz. 147
Art. 2:222 NL-BGB ermöglicht einem Gesellschafter außerdem, eine Hauptversammlung einzuberufen, ohne dass der Gesellschafter einen bestimmten Anteil des Kapitals hält. Eine derartige Einberufung ist aber nur statthaft, wenn das Organ, das infolge Art. 2:219 NL-BGB befugt ist, die jährliche (Art. 2:218 NL-BGB) oder eine aufgrund des Gesellschaftsvertrags einzuberufende Hauptversammlung einzuberufen, es unterlässt, diese einzuberufen. Auch in diesem Fall entscheidet das Gericht, ob der Gesellschafter dazu befugt ist. Die Hauptversammlung wird im Einklang mit Art. 2:220 Abs. 2 und Art. 2:221 NL-BGB einberufen. Die Hauptversammlung wird schriftlich einberufen. Den Gesellschafter und anderen Versammlungsberechtigten wird per Post eine Einladung zugesandt. Die Briefe werden an die Anschriften versendet, die im Verzeichnis eingetragen sind. Soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes vorsieht, kann die Einberufung auch durch einen auf elektronischem Weg zugesandten, lesbaren und reproduzierbaren Bericht an die zu diesem Zweck der Gesellschaft genannten Anschriften bekanntgemacht werden, wenn der Gesellschafter oder andere Versammlungsberechtigte damit einverstanden ist (Art. 2:223 Abs. 2 NL-BGB). Die Einberufung listet die Themen auf, die in der Hauptversammlung zur Diskussion gestellt werden. Beschlüsse über Themen, die unter Berücksichtigung der gesellschaftsvertraglichen Frist nicht in der Einberufung angegeben wurden, können nicht gültig gefasst werden, es sei denn, alle versammlungsberechtigten (vergadergerechtigden) Personen haben der Beschlussfassung zugestimmt und die Geschäftsführungsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder hatten vorher Gelegenheit, ihre beratende Stimme auszuüben (Art. 2:224 Abs. 2 NL-BGB).
Rz. 148
Art. 2:225 NL-BGB sieht vor, dass die Hauptversammlung mindestens acht Tage vor dem Tag, an dem sie stattfindet, einberufen werden muss. Ist dieser Zeitraum kürzer als acht Tage oder hat gar keine Einberufung stattgefunden, so bestimmt Art. 2:225 NL-BGB, dass keine gültigen Beschlüsse gefasst werden können, es sei denn, alle versammlungsberechtigten Personen haben der Beschlussfassung zugestimmt und die Geschäftsführungsmitglieder und Aufsichtsratsmitglieder hatten vorher die Gelegenheit, ihre beratende Stimme auszuüben.
Rz. 149
Gem. Art. 2:226 Abs. 1 N...