Erwin Rademakers, Diane de Vries
Rz. 103
Vergleichbar einer Kapitalerhöhung ist die Hauptversammlung befugt, eine Kapitalherabsetzung durch Rücknahme der Anteile oder durch Herabsetzung des Betrags der Geschäftsanteile im Wege einer Änderung des Gesellschaftsvertrags zu beschließen (Art. 2:208 Abs. 1 NL-BGB). Der Beschluss muss die Anteile, auf die der Beschluss sich bezieht, benennen und auch die Ausführung der Kapitalherabsetzung beschreiben.
Rz. 104
Ein Beschluss zur Kapitalherabsetzung kann sich nur beziehen auf:
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Geschäftsanteile, die die Gesellschaft selber hält, oder für die sie die Zertifikate hält; oder |
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alle Geschäftsanteile von einer Art oder Bezeichnung, für die vor der Ausgabe im Gesellschaftsvertrag bestimmt worden ist, dass sie mit Rückzahlung zurückgenommen werden können; |
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durch Losentscheid bestimmte Geschäftsanteile von einer besonderen Art oder Bezeichnung, für die vor der Ausgabe im Gesellschaftsvertrag bestimmt worden ist, dass sie durch Losentscheid mit Rückzahlung zurückgenommen werden können. |
In allen anderen Fällen kann eine Rücknahme nur mit Genehmigung aller betreffenden Gesellschafter beschlossen werden (Art. 2:208 Abs. 2 NL-BGB).
Rz. 105
Neben der Rücknahme von Geschäftsanteilen ist es auch möglich, den nominalen Betrag der Geschäftsanteile herabzusetzen. Dies ist nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrags möglich, weil der nominale Betrag der Geschäftsanteile im Gesellschaftsvertrag angegeben ist (Art. 2:178 Abs. 1 NL-BGB) und aufgrund des Beschlusses der Hauptversammlung geändert wird. Eine derartige Kapitalherabsetzung ist auf verschiedene Weise möglich. So können die Gesellschafter entscheiden zwischen einer Kapitalherabsetzung ohne oder mit Rückzahlung oder zwischen einer Kapitalherabsetzung ohne oder mit Befreiung von der Einzahlungspflicht (siehe Art. 2:208 Abs. 3 und 4 NL-BGB).
Rz. 106
Eine Kapitalherabsetzung ohne Rückzahlung und ohne Befreiung von der Einzahlungspflicht wird dann der Fall sein, wenn die Gesellschaft Verluste erlitten hat und ihre finanzielle Position sich demzufolge verschlechtert hat. Benötigt die Gesellschaft dann Kapital, um neue Tätigkeiten zu finanzieren, ist eine derartige Kapitalherabsetzung eine mögliche Lösung. Durch die Kapitalherabsetzung werden die Verluste getilgt. Demzufolge wird der Anteilkurs, der vorher unter pari gesunken war, wieder bei 100 % sein oder darüber liegen. Wenn die Gesellschaft ihre Position wieder verbessert hat, kann sie durch eine Emission wieder Kapital aufnehmen.
Rz. 107
Hat die Gesellschaft ein relativ hoch gezeichnetes Kapital, ihre Tätigkeiten aber drastisch beschränkt, kann eine Kapitalherabsetzung mit Rückzahlung oder Befreiung der Einzahlungspflicht eine Lösung bieten, weil auf diese Weise das Kapital der Gesellschaft gesenkt wird.
Rz. 108
Das Flex-B.V.-Gesetz hat das Verfahren der Kapitalherabsetzung vereinfacht. Unverändert ist die Befugnis der Hauptversammlung, eine Kapitalherabsetzung durch Rücknahme der Anteile oder durch Herabsetzung des Betrags der Geschäftsanteile durch Änderung des Gesellschaftsvertrags zu beschließen. Das vormals geltende Procedere, wonach die Gläubiger der B.V. innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten nach Ankündigung der Kapitalherabsetzung Einspruch erheben konnten, entfiel mit dem Inkrafttreten des Flex-B.V.-Gesetzes. Im Falle der Kapitalherabsetzung durch Rückzahlung der Anteile gilt für die Geschäftsführung dieselbe Haftungsregelung wie bei der Ausschüttung von Gewinn und Rücklagen: Art. 2:216 Abs. 2 bis 4 NL-BGB wird in Art. 2:208 Abs. 6 NL-BGB für anwendbar erklärt (siehe Rdn 88). Wie oben schon erwähnt, ist mit dem Inkrafttreten des Flex-B.V.-Gesetzes außerdem das Erfordernis des Mindestkapitals entfallen (siehe Rdn 73). Theoretisch beinhaltet dies, dass die Hauptversammlung eine Kapitalherabsetzung beschließen kann, die zu einem gezeichneten Kapital von 0,01 EUR führt.