Entscheidungsstichwort (Thema)
Erinnerung gegen Kostenfestsetzung; PKH-Verfahren
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Festsetzung der PKH-Vergütung ist eine nicht gezahlte Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Vorverfahren nicht auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
- Vielmehr ist die Geschäftsgebühr nur anzurechnen, soweit sie gezahlt ist und soweit die Zahlung den Differenzbetrag zwischen der ohne PKH entstandenen (höheren) Gebühr und der Gebühr im PKH-Verfahren übersteigt.
- Auf die Frage, ob § 15a RVG die bestehende Rechtslage klargestellt oder geändert hat, kommt es nicht an.
- Bei einer mittellosen Partei ist es ernstlich zweifelhaft, ob eine „normale” Geschäftsgebühr entstanden ist, wenn ein Anspruch auf Beratungshilfe bestand bzw. bei Antragstellung bestanden hätte.
Normenkette
RVG §§ 2, 13, 15a, 45
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Festsetzung der Prozesskostenhilfevergütung eine nicht gezahlte Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist.
Das Gericht hatte dem Kläger in dem Klageverfahren wegen Eigenheimzulage (Aktenzeichen 7 K 60/08) Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des Erinnerungs-führers bewilligt. Der Erinnerungsführer hatte den Kläger bereits vorgerichtlich (seit März 2007) im Einspruchsverfahren vertreten. Der Kläger bezog sowohl während der vorgericht-lichen als auch während der gerichtlichen Tätigkeit des Erinnerungsführers Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Beratungshilfe wurde nicht beantragt. Der Streitwert des Klageverfahrens betrug € 6.646. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berichterstatter wurde die Klage auf Anregung des Gerichts zurück genommen.
Mit Schreiben vom … beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Vergütung im Rahmen der PKH. Er setzte dabei für die Verfahrensgebühr den 1,3-fachen Satz der im PKH-Verfahren gemäß § 49 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ermäßigten Gebühr von € 230, mithin € 299 (zuzüglich Umsatzsteuer) an. Im Einzelnen wird auf den Antrag Bezug genommen. Der Erinnerungsführer hat keine anderweitigen Zahlungen für seine (vorgerichtliche und gerichtliche) Tätigkeit erhalten.
Abweichend hiervon setzte der Urkundsbeamte mit Beschluss vom … die Verfahrensgebühr (ausgehend von einem Satz von 1,6) vermindert um die Anrechnung einer Geschäftsgebühr mit einem Satz von 0,65 der Gebühr gemäß § 49 RVG, d.h. im Ergebnis mit einem Satz von 0,95 von € 230, mithin € 218,50 (zuzüglich Umsatzsteuer) fest. Er erläuterte: „Die Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 VV RVG ist gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VVRVG zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, wenn der Rechtsanwalt die Angelegenheit zunächst außergerichtlich und anschließend gerichtlich betrieben hat. Die Vertreterin der Staatskasse hat sich auf die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 RVG berufen.” Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Erinnerung macht der Erinnerungsführer geltend, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr sei nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 9.12.2009, XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375) nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe mit dem neu eingefügten § 15a RVG das RVG nicht geändert, sondern lediglich die seiner Ansicht nach bereits vor Einführung des § 15a RVG bestehende Rechtslage klargestellt. Die Anrechnungsvorschrift betreffe grundsätzlich nur das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. In der Kostenfestsetzung müsse daher eine Verfahrensgebühr auch dann in voller Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Sichergestellt werde durch § 15 a Abs. 2 RVG lediglich, dass ein Dritter nicht über den Betrag hinaus auf Ersatz und Erstattung in Anspruch genommen werden könne, den der Anwalt von seinem Mandanten verlangen könne. Im Einzelnen wird auf das Erinnerungsschreiben und die darin aufgeführten Materialien und Rechtsprechung Bezug genommen.
Des Weiteren macht der Erinnerungsführer geltend, nach der Klarstellung in § 55 Abs. 5 RVG könne die Geschäftsgebühr nur dann für eine Anrechnung auf die PKH-Verfahrensgebühr von Bedeutung sein, wenn der PKH-Anwalt sie tatsächlich erhalten habe. Ferner weist er auf den Beschluss des BGH vom 10. August 2010 (VIII ZB 15/10, AnwBl 2010, 878) hin und begehrt nunmehr die Festsetzung der Verfahrensgebühr mit dem 1,6 fachen Satz, mithin mit € 368 (zuzüglich € 69,92 Umsatzsteuer) ohne Anrechnung einer Geschäftsgebühr; auf den Schriftsatz vom … wird Bezug genommen.
Die Erinnerungsgegnerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und beantragt, sie zurückzuweisen. Die Rechtsauffassungen in dieser Sache seien zwar nach wie vor nicht einheitlich. Sie schließe sich folgender Rechtsauffassung an: Die in den Vorbemerkungen zu Teil 3 VV-RVG enthaltenen Anrechnungsbestimmungen bezögen sich auf das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, und in diesem Verhältnis sei die Staatskasse nicht Dritter im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG, weil sie gleichsam an die S...