Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Umsatzsteuer 1997
Leitsatz (redaktionell)
§ 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist verfassungskonform (Art. 19 IV GG) dahingehend auszulegen, dass das Merkmal der „wesentlichen Nachteile” nicht losgelöst von der Prüfung der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts beurteilt werden darf.
Tenor
1. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1997 vom 31. August 1998 wird in Höhe von 4.971.713,78 DM ausgesetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Koordinierung, Planung und Durchführung von Softwareentwicklungsaufgaben, insbesondere für die mit ihr verbundenen Banken und deren Konzernunternehmen (u.a. Bankgesellschaft B – Bankg – und N d L G – N –), tätig.
Die Antragstellerin verpflichtete sich in 1996 in einem „Rahmenvertrag zur Übertragung von Urheberrechten im Rahmen der Herstellung von Individual-Software” der Bankg … und N (Auftraggeber) gegenüber zur Entwicklung und Herstellung von Computerprogrammen, um das ausschließliche und zeitlich sowie räumlich unbeschränkte Recht zur Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung und sonstiger Verwertung von Urheberschutzrechten gemäß § 31 ff i.V.m. 69 a bis 69 g Urheberrechtsgesetz – UrhG – (sogenannte Hauptleistung)auf die Auftraggeber zu übertragen.
Mit einem „Nachtrag zur Übernahmevereinbarung” betreffend den o.g. Rahmenvertrag trat in 1997 die BB- G für Informations- und Kommunikationssysteme mbH Berlin (BB-) an Stelle der Bankgesellschaft in das Vertragsverhältnis mit der Antragstellerin ein.
In Ausführung des genannten Rahmenvertrages wurden zwischen der Antragstellerin und ihren Auftraggebern jeweils Einzelwerkverträge geschlossen, in welchen die Antragstellerin mit der Entwicklung und Herstellung von Computerprogrammen beauftragt wurde, um das ausschließliche und zeitlich sowie räumlich unbeschränkte Recht zur Nutzung, Weiterentwicklung, Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung, Bearbeitung und sonstiger Verwertung von Urheberschutzrechten gemäß § 31 ff i.V.m. 69 a bis 69 g UrhG (sogenannte Hauptleistung) auf die Auftraggeber zu übertragen.
Die Antragstellerin stellte die Übertragung der dem Urheberrechtsgesetz im Streitjahr unterliegenden Leistungen gegenüberden Auftraggebern gemäß den „Einzelwerkverträgen zur Übertragung von Urheberrechten im Rahmen der Herstellung von Individual-Software” zum nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c Umsatzsteuergesetz (UStG) ermäßigten Steuersatz in Rechnung. Sie gab entsprechende monatliche Voranmeldungen ab. Der Antragsgegner erließ abweichende Bescheide über die Festsetzung der monatlichen Vorauszahlungen für die Monate September und Dezember 1997, in welchen er die zu 7 v.H. erklärten Umsätze dem vollen Umsatzsteuersatz von 15 v.H. zuordnete. Als Begründung führte er an, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG vorliegend nicht einschlägig sei, weil im Vordergrund des Leistungsverhältnisses nicht die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte, sondern die Überlassung der für die Gesellschafter-Banken entwickelten bzw. verbesserten Software stehe.
Nachdem die Antragstellerin gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für September und Dezember 1997 Einspruch erhoben und die Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, gewährte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Beträge i.H.v. insgesamt 4.971.701,92 DM.
Drei Monate später erteilte der Antragsgegner den Jahressteuerbescheid 1997. Die verbleibende Abschlusszahlung betrug 4.971.713,78 DM. Darin enthalten ist die streitige Umsatzsteuer von 4.971.701,92 DM aus den Voranmeldungszeiträumen September und Dezember 1997. Die im Vorauszahlungsverfahren gewährte Aussetzung der Vollziehung wurde mit dem Erlass des Jahressteuerbescheides aufgehoben, die streitigen Beträge mit einer Zahlungsfrist von einem Monat fällig gestellt.
Gegen den Jahressteuerbescheid erhob die Antragstellerin Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Rechtsbehelfsbegründung ist identisch mit der des Vorverfahrens. Obwohl der Antragsgegner selbst ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Jahresumsatzsteuerbescheides 1997 einräumte, lehnte er den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit der Begründung ab, dass kein nach dem Wortlaut des § 361 Abs. 2 Satz 4 Abgabenordnung – AO – (entspricht § 69 Abs. 2 Satz 8 Finanzgerichtsordnung – FGO –) aussetzungsfähiger Differenzbetrag vorhanden sei, weil die festgesetzten Vorauszahlungen mit der festgesetzten Jahressteuerschuld übereinstimmten.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem gerichtlichen Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass für ihre Umsätze aus der Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte der ermäßigte Steuersatz einschlägig sei. Sie nimmt Bezug auf einen Beschluss des Bundesfinanzhof – BFH – vom 13. März 1997 (V B 120/96, BFH/NV 1997, 814). D...