Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergewöhnliche Belastungen: Behindertengerechter Umbau einer Motoryacht
Leitsatz (redaktionell)
- Vom Behindertenpauschbetrag sind nur laufende und typische Mehraufwendungen abgegolten.
- Zum Begriff der Zwangsläufigkeit i. S. von § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG.
- Aufwendungen eines Behinderten, die dazu dienen, trotz fortschreitender Gebrechen weiterhin seinem Hobby in Form der Nutzung einer Motoryacht nachgehen zu können, sind nicht unausweislich und damit nicht zwangsläufig.
- Ein Vergleich mit der Umgestaltung eines Wohnumfeldes, das zum existenziell notwendigen und gemäß Art. 13 GG besonders geschützten Lebensbereich gehört, ist nicht möglich.
Normenkette
EStG § 33
Streitjahr(e)
2011
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Aufwendungen für einen behindertengerechten Umbau des im Eigentum des Klägers bestehenden Bootes als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger ist aufgrund eines Autounfalls im Jahre 1970 querschnittsgelähmt und aufgrund dessen auf einen Rollstuhl angewiesen. Er weist einen Grad der Behinderung von 100 aus und hat in seinem Schwerbehindertenausweis die Merkmale G, aG, H und RF.
Vor fünf Jahren kaufte der Kläger ein Boot, dessen Vorbesitzer einen behinderten Sohn hatte und auf dem Boot bereits entsprechende Lifte hatte einbauen lassen. Im Übrigen waren auf dem Boot keine für den Kläger nutzbaren medizinischen Hilfsmittel eingebaut. Die vom Kläger genutzte Koje ebenso wie der Dusch- und Toilettenbereich war für den Kläger nur mit einer Hilfsperson nutzbar. Teilweise waren die Bereiche auf dem Schiff („Boys Cabin”) für den Kläger nicht nutzbar aufgrund von zu schmalen Durchgängen. Bei dem Boot handelt es sich ausweislich der Rechnung vom 30. Mai 2011 (Anlage K6, Bl. 48 GA) um den Typ Z, eine Motoryacht.
Nachdem der Kläger in den letzten Jahren gemerkt hatte, dass er auch unter Zuhilfenahme einer weiteren Person nicht mehr die ursprüngliche Koje sowie den Dusch- und Toilettenbereich nutzen konnte, da seine Kräfte merklich nachließen, erkundigte er sich nach einem möglichen Umbau der Yacht. Nach den Angaben des Klägers habe die X-Werft schließlich den ursprünglichen „Boys Cabin”-Bereich zu einer bodenebenen Nasszelle mit herausziehbarem Waschtisch und entsprechenden Schränken einschließlich eines entsprechenden Toilettenbereichs umgebaut. Des Weiteren sei die Koje im Vorschiffbereich derart umgebaut worden, dass das Fußende der Koje absenkbar und das Kopfende aufstellbar ist, so dass der querschnittsgelähmte Kläger in die Koje allein ein- bzw. aus der Koje allein aussteigen könne. Der Kläger wendete hierfür einen Betrag von … € auf und verweist in diesem Zusammenhang auf gefertigte Fotoaufnahmen, Grundrisse des Vorschiffs sowie das Angebot und die Rechnung der Werft.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr versagte der Beklagte das Finanzamt (FA) – den Abzug dieser Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen. Das dagegen angestrengte Einspruchsverfahren verlief aufgrund der den Einspruch als unbegründet zurückweisenden Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 2013 erfolglos. Das FA vertrat insoweit die Auffassung, die Yacht des Klägers sei kein existenziell notwendiger Gegenstand, so dass die Aufwendungen für einen Umbau auch soweit sie gegebenenfalls für einen behindertengerechten Umbau entstanden seien, nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig seien. Zudem könne sich der Kläger nicht auf das BFH-Urteil vom 24. Februar 2011, VI R 16/10, BFHE 232, 518, BStBl II 2011, 1012 berufen, da das Boot auch nicht zum individuellen Wohnumfeld des Klägers gehöre. Zudem sei der Kläger der Aufforderung, darzulegen, welche Kosten auf den krankheits- bzw. behinderungsbedingten Umbau entfielen, nachzuweisen, nicht nachgekommen.
Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren aus dem Vorverfahren weiterverfolgt. Die genannten Aufwendungen seien dem Kläger zwangsläufig erwachsen, so dass sie als außergewöhnliche Belastung abzuziehen seien. Mit dem Boot sei der Zweck verfolgt worden, die Behinderung des Klägers erträglich zu machen und ihm weiterhin eine eigenständige Nutzung des Bootes und hierdurch auch zukünftig eine entsprechende Freizeit- und Urlaubsgestaltung zu ermöglichen. Die schwerwiegende Behinderung des Klägers begründe eine tatsächliche Zwangslage, die eine behindertengerechte Gestaltung des Bootes unausweichlich gemacht habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger das Boot noch angeschafft habe, als er körperlich in der Lage gewesen sei, dieses nur unter Zuhilfenahme einer Hilfsperson zu nutzen. Zwar sei der Erwerb eines Bootes eine freiwillige Entscheidung, jedoch beseitige dies die Zwangsläufigkeit nicht. Denn der Kläger sei seit seiner Kindheit Wassersportler, ebenso wie eine Vielzahl seiner Bekannten und Freunde in der Küstenregion um Y-Stadt. Unter den Wassersportlern gelte die Anschaffung eines Bootes als „sozial gebilligte...