Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsbewertung im Vergleichswertverfahren: Ableitung von Vergleichspreisen des Gutachterausschusses
Leitsatz (redaktionell)
- Wohnungseigentum ist grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten.
- Grundlage sind vorrangig die von den Gutachterausschüssen i. S. §§ 192 ff. BauGB mitgeteilten Vergleichspreise.
- Das FA ist nicht befugt, die ihm vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für einen Stichtag mitgeteilten Vergleichspreise für einen anderen Stichtag zu verwerten. Das gilt auch, wenn die Abweichung nur einen Tag beträgt.
Normenkette
BewG §§ 182, 183 Abs. 1; BauGB § 192
Streitjahr(e)
2009
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte den Grundstückswert zutreffend festgestellt hat.
Mit notariellem Übergabevertrag vom 26. Februar 2009 erhielt die Klägerin von ihrer Tochter unentgeltlich einen halben Miteigentumsanteil an dem Wohnungseigentum Aufteilungsplan Nr. 2 in X (künftig: Grundstück) im Rahmen einer Erbauseinandersetzung.
Die Schenkungsteuerstelle bat die Einheitliche Grundbesitzstelle, den Grundbesitzwert auf den 27. Februar 2009 zu ermitteln. Nach Aufforderung reichte die Klägerin 2010 eine Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts des Grundstücks ein. Der Beklagte (das Finanzamt) stellte einen Grundstückswert in Höhe von 190.000 € fest, wovon 95.000 € auf die Klägerin übertragen worden seien.
Der Senat hob mit Urteil vom 11. April 2014 1 K 107/11 (EFG 2014, 1364) den Bescheid und die Einspruchsentscheidung mit der Begründung auf, das Finanzamt habe die Vorgaben der §§ 182, 183 Bewertungsgesetz (BewG) nicht beachtet, das im Streitfall grundsätzlich die Anwendung des Vergleichswertverfahrens vorsehe. Die Vorgehensweise des Finanzamts, den Wert anhand des auf der Website der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte angebotenen Immobilienpreiskalkulators zu ermitteln, habe keine gesetzliche Grundlage. Das Finanzamt legte die vom Senat zugelassene Revision nicht ein. Das Urteil wurde im Jahr 2014 rechtskräftig.
Das Finanzamt bat daraufhin den zuständigen Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAG), die Preise von Vergleichsgrundstücken für das näher beschriebene Grundstück auf den Bewertungsstichtag 27. Februar 2009 mitzuteilen.
Der GAG entschied am 10. Dezember 2014 in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei Gutachtern, es seien für den Wertermittlungs- und Qualitätsstichtag 27. Februar 2009 13 Vergleichspreise (umgerechnete Kaufpreise) zwischen 179.000 und 247.000 € vorhanden. Der GAG teilte sie dem Finanzamt mit und erläuterte auch die Ermittlungsmethode.
Das Finanzamt stellte mit Bescheid vom 17. Februar 2015 den Grundstückswert entsprechend R B 183 Abs. 2 Satz 5 ErbStH 2012 mit dem Durchschnittswert der Vergleichspreise in Höhe von 214.692 € fest, wovon 107.346 € auf die Klägerin übertragen worden seien. Die Feststellung erfolgte auf den Besteuerungszeitpunkt 26. Februar 2009. Das Finanzamt wies den Einspruch mit Bescheid vom 4. August 2015 als unbegründet zurück. Es bezog sich auf die Mitteilung des GAG. Den nach § 198 BewG möglichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts habe die Klägerin nicht erbracht. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Klägerin meint, die Werte des GAG seien nicht diskutabel, da die konkreten Vergleichsobjekte nicht zu erkennen seien. Es sei bereits erkennbar, dass es sich nicht um geeignete Vergleichsobjekte handeln könne, weil hier Ein- bis Zweifamilienhäuser mit - den mitgeteilten Miteigentumsanteilen nach zu urteilen - Eigentumswohnungen, teilweise in Altstadtlage, teilweise aus umliegenden Dörfern zum Vergleich herangezogen würden, um eine Vergleich mit einer Doppelhaushälfte in einer mittleren Wohnlage in Braunschweig herzustellen. Zudem seien noch wertmindernde Faktoren des Grundstücks zu berücksichtigen.
Darüber hinaus seien die Regelungen der §§ 182 Abs. 2 BewG i. V. m. 183 Abs. 1 BewG verfassungswidrig. Sie verstießen gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 14 BewG. In seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit das Erbschaftsteuerrecht bzw. des Bewertungsrechtes habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Bewertung von zu verschenkenden bzw. zu vererbenden Eigentumsgegenständen so genau sein müsse, dass es lediglich zu einer Abweichung von höchstens. 20 v. H. des tatsächlichen Wertes komme. Diese Vorgaben erfüllten die Regelungen der §§ 182, 183 BewG nicht.
Es stelle einen unangemessenen Eingriff in die Eigentumsgarantie und Testierfreiheit der Bürger dar, wenn Grundstücke mit besonderen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Belastungen in guten Lagen grundsätzlich zu hoch bewertet würden. Die Möglichkeit der Einholung eines Gegengutachtens könne nicht als Rechtfertigung dienen. Es könne nicht sein, dass der Bürger zum Zwecke einer gerechten Behandlung ein Gutachten „kaufen” müsse, weil ihm jeglicher andere Einwand schlicht abgeschnitten werde.
Die gesetzliche Regelung verstoße zudem gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Unterschiedliche Grundstücke würden gleichbehandelt. Unabhängig vom wirklichen Wert erfolge ...