Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübung und Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts. Vorsteuerabzug; Rechnungseingang; Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (redaktionell)
- Das Recht zum Vorsteuerabzug setzt nach § 16 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG den Eingang der Rechnung beim Unternehmer voraus.
- Der Umstand, dass zwischen Bezug der Lieferung oder Leistung und dem Erhalt einer entsprechenden Rechnung ein zeitlicher Abstand besteht, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das betrifft auch die Gründe für den zeitlichen Abstand zwischen dem Bezug der Lieferung oder sonstigen Leistung und dem Rechnungserhalt.
- Das Gemeinschaftsrecht verlangt nicht zwingend, dass die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abzugsrechts zurückwirkt.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Zeitpunkt der Vorsteuerabzugs.
Die Klägerin betreibt den An- und Verkauf von Baubedarfswaren. Nachdem das Finanzamt der für das Streitjahr abgegebenen Umsatzsteuererklärung zugestimmt hatte, begehrt die Klägerin nunmehr zusätzliche Vorsteuern in Höhe von 3.248,10 DM. Die dazugehörenden Rechnungen sind im Dezember 1999 ausgestellt, aber erst im Januar 2000 bei der Klägerin eingegangen.
Der Beklagte erkannte den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen (1999) nicht an. Er begründete dies mit dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei danach der Bezug der Lieferung oder Leistung und der Erhalt einer entsprechenden Rechnung. Wenn – wie vorliegend – der Empfang der Leistung und der Empfang der Rechnung zeitlich auseinanderfielen, sei der Vorsteuerabzug für den Besteuerungszeitraum zulässig, in dem erstmalig beide Voraussetzungen erfüllt seien. Dies sei wegen des Rechnungserhalts in 2000 das Veranlagungsjahr 2000.
Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Sie trägt vor, der Großteil der streitbefangenen Rechnungen sei Ende 1999 erstellt worden. Dies dürfe nicht zur Folge haben, daß ihr Recht zum Vorsteuerabzug von dem Zufall abhänge, ob die Post diese Rechnungen tatsächlich noch in 1999 oder erst in 2000 zustellen könne.
Es gehöre auch nicht zu den Aufzeichnungspflichten eines Unternehmers, den Eingang der Rechnung zu dokumentieren. Vielmehr würden die Eingangsrechnungen im Rahmen einer ordnungsgemäßen EDV-Buchführung üblicherweise mit dem Rechnungsdatum erfaßt und die Vorsteuer gleichzeitig in dem entsprechenden Monat gebucht. Insofern würde er zu Unrecht schlechter gestellt als die Steuerpflichtigen, die den Erhalt der Rechnungen nicht per Eingangsstempel festhielten.
Zudem verstoße das Vorgehen der Finanzverwaltung im vorliegenden Fall gegen den EG-rechtlichen Grundsatz der Belastungsneutralität. Demzufolge entstehe der Vorsteuerabzug zeitgleich mit dem Umsatzsteueranspruch des Fiskus, nämlich bereits mit Bezug der Lieferungen und Leistungen. Der Bezug der Lieferungen und Leistungen sei unstreitig in 1999 erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
bei der Umsatzsteuer 1999 weitere Vorsteuern in Höhe von 3.248,10 DM zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist darauf, daß es für den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs auf den Eingang der Rechnung beim Unternehmer ankomme. Die streitbefangenen Rechnungen seien unstreitig erst in 2000 bei der Klägerin eingegangen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Dem Gericht haben die Steuerakten des Klägers zu Steuernummer XXXXX vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat den Vorsteuerabzug aus den streitbefangenen Rechnungen für das Streitjahr 1999 zu Recht versagt, weil die Klägerin diese Rechnungen erst im Januar 2000 erhalten hat, § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 16 Abs. 2 i.V.m. UStG.
Zur Vermeidung des Verlusts des Anspruchs auf den Vorsteuerabzug sind die gemäß § 16 Abs.2 Satz 1 UStG "in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge" mit Wirkung für diesen Veranlagungszeitraum abzusetzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 1976 V R 98/71, BStBl II 1977, 448 unter 2. d). Dieser Anspruch entsteht in entsprechender Anwendung von § 13 Abs.1 Nr.1 Buchst. a UStG bereits in dem Veranlagungszeitraum, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 insgesamt vorliegen (st. Rspr. des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1994 V R 84/92, BStBl II 1995, 233 m.w.N.)
Danach kann die Klägerin von der Umsatzsteuer 1999 die ihr gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m § 16 Abs. 2 UStG von “anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen”, die für ihr Unternehmen “ausgeführt worden sind”, abziehen, wenn bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 1999 sowohl die Lieferungen oder sonstigen Leistungen erbracht als auch die Steuern für sie der Klägerin gesondert in Rechnung gestell...