vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch durch Ableisten eines Postulats oder Noviziats
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff der Berufsausbildung i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
- Bei der angestrebten Tätigkeit muss es sich weder um einen Ausbildungsberuf i. S. der §§ 4ff. BBiG noch um eine Tätigkeit handeln, die einem bestimmten Berufsbild entspricht.
- Auch das Ableisten eines Postulats oder Noviziats in einer Ordensgemeinschaft erfüllt die Voraussetzungen einer Berufsausbildung.
- Dass ein Ordensangehöriger nach Kirchenrecht und ständiger klösterlicher Übung auf Vermögen/Erwerb zu Gunsten des Klosters verzichtet, steht der Anwendung des Berufsbegriffs nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Tatbestand
Strittig ist, ob die Zeit als Postulant bzw. Novize in einem Orden als Berufsausbildung anzusehen ist.
Mit Bescheid vom 2. Februar 2012 lehnte die Beklagte Kindergeld für das am 25. Mai 1989 geborene Kind der Klägerin M für den Zeitraum von Juni 2007 bis August 2009 ab. Zugleich setzte es Kindergeld für den Zeitraum September 2009 bis April 2010 fest und verwies bezüglich des Zeitraums ab Mai 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011, mit dem sie es abgelehnt hatte, ab Mai 2010 Kindergeld für M zu zahlen. Auf den Einspruch der Klägerin vom 10. Februar 2012 gegen den Bescheid vom 2. Februar 2012 hin, erließ die Beklagte am 23. August 2012 eine Einspruchsentscheidung wegen Ablehnung des Kindergeldantrages für M von Juni 2007 bis August 2009. Das Kind habe nach eigenen Angaben von Juni 2007 bis August 2009 eine Noviziat in einem Kloster absolviert. Diese Maßnahme stelle keine berufsbezogene Ausbildung im Sinne des Kindergeldrechts dar. Ein Novize in einem Orden befinde sich in der Regel in Vorbereitung auf ein Ordensgelübde. Dies stelle keinen Beruf dar.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, M habe während des Streitzeitraums sowohl ein Postulat als auch ein Noviziat in einer polnischen Ordensgemeinschaft absolviert. Hierzu reichte sie eine Bescheinigung des Hospitalordens des Heiligen Jan Bosy in Krakau vom 4. September 2013 ein, wonach M in der Zeit vom 10. August 2006 bis 5. Oktober 2007 das Postulat sowie in der Zeit vom 6. Oktober 2007 bis 6. Oktober 2009 das Noviziat in dem Orden absolvierte. Obwohl sich der Einspruchsbescheid nicht zum Kindergeldanspruch ab Mai 2010 verhalte, sei die Beklagte doch dazu zu verpflichten, auch ab dem 1. Mai 2010 Kindergeld für M zu zahlen. Mit der Verweisung im Bescheid vom 2. Februar 2012 auf die Entscheidung bezüglich der Kindergeldzahlung ab Mai 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011 habe die Beklagte die Rechtsgewährung versagt, also eine Rechtsfolge herbeigeführt.
Mit ihrer Klageschrift vom 21. September 2012 hatte die Klägerin ursprünglich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, für ihr Kind M Kindergeld für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. August 2009 und ab 1. Mai 2010 zu zahlen. Aufgrund einer nachgereichten Schulbescheinigung erließ die Beklagte am 6. Februar 2013 im Klageverfahren einen Änderungsbescheid, in dem sie Kindergeld nun auch für den Zeitraum von September 2008 bis August 2009 festsetzte. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärten, erging am 18. März 2013 ein Beschluss, mit dem das Gericht das Verfahren wegen Kindergeld für diesen Zeitraum abtrennte und das neue Aktenzeichen 16 K 62/13 gab; ferner erging eine Kostenentscheidung.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, Kindergeld für ihr Kind M in gesetzlicher Höhe für die Zeiträume Juni 2007 bis August 2008 und ab Mai 2010 zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ein Postulat sowie ein Noviziat erfüllten nicht die Anforderungen einer Berufsausbildung.
Die Klägerin und die Beklagte haben mit Schriftsätzen vom 30. Mai 2013 bzw. 15. November 2012 gem. § 79 Abs. 3, 4 FGO ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt sowie auf mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO verzichtet.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unzulässig, was den Klagezeitraum ab Mai 2010 betrifft, da weder der Ausgangsbescheid vom 2. Februar 2012 noch die Einspruchsentscheidung vom 23. August 2012 für diesen Zeitraum eine Regelung enthält. Soweit der Ausgangsbescheid hinsichtlich eines Kindesgeldanspruchs für den Zeitraum ab Januar 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011 verweist, liegt insoweit mangels Regelungswillens kein die Klägerin belastender Verwaltungsakt vor. Die Klägerin ist insoweit durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert und daher auch nicht nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt.
2. Im Übrigen ist die Klage begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kindergeld für Ihr Kind M für den Zeitraum Juni 2007 bis August 2009. Das vom Sohn der Klä...