Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnis zwischen den Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG - Steuerbefreiung ärztlich angeordneter Blutanalysen bei wissenschaftlich nicht anerkannten Heilmethoden
Leitsatz (redaktionell)
1) Entgegen Abschn. 4.14. Abs. 2 Satz 1 UStAE ist § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG bei Analysen in einem Labor unabhängig von dem Ort der Leistungserbringung neben § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG anwendbar.
2) Medizinische Analysen, die von praktischen Ärzten im Rahmen ihrer Heilbehandlungen angeordnet werden, sind auch dann nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerbefreit, wenn es sich um nicht wissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethoden handelt.
Normenkette
UStG 2005 § 4 Nr. 14 Buchst. a, b; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin mit ihren Laborleistungen zur Bestimmung sogenannter IgG-Antikörper umsatzsteuerbefreite Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 oder Buchst b Umsatzsteuergesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung (UStG) oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst b oder c der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) im Streitjahr 2009 erbracht hat. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Umsätze seien mit dem ermäßigten Steuersatz zu erfassen, weil der Gesetzgeber mit der Privilegierung der Verabreichung von Heilbädern in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG und der Ausklammerung anderer medizinischer Versorgungsleistungen gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen habe. Die Klage befindet sich im 2. Rechtsgang.
Die Klägerin ist eine GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Dezember 2000 errichtet worden ist. Gegenstand und Zweck sind die Ausführung und die Entwicklung von Labordiagnostik. In ihre Umsatzsteuererklärung für 2009 erklärte die Klägerin steuerpflichtige Umsätze zum allgemeinen Steuersatz mit einer Bemessungsgrundlage von 259.194 €. Darüber hinaus waren in ihrer Erklärung auch steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 UStG in Höhe von 3.325.329 € erfasst. Unter Berücksichtigung anteiliger abziehbarer Vorsteuer errechnete die Klägerin eine Steuerlast in Höhe von 22.046,22 €.
Der Streitfrage der Anwendung der Steuerbefreiungsvorschriften liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Dem von der Klägerin betriebenen medizinischen Labor wird von Ärzten und Heilpraktikern biologisches Probenmaterial (Blutproben oder Serum) zugesandt. Die Klägerin untersucht diese Proben labortechnisch zwecks Bestimmung sogenannter IgG-Antikörper gegen Nahrungsmittel. Diesem Verfahren hat die Klägerin den Produktnamen ”x“ gegeben. Nach den Unterlagen, die die Klägerin den Therapeuten und Patienten zur Verfügung stellt, können durch das Testverfahren verzögerte Nahrungsmittel-Allergien gegenüber insgesamt 272 unterschiedlichen Nahrungsmitteln abgeklärt werden. Häufige Krankheitsbilder, bei denen Therapeuten in Absprache mit den Patienten den Test einsetzen, sind chronische Magen-Darm-Probleme, chronische Hautprobleme, chronische -schmerzen, rheumatische Erkrankungen, Aufmerksamkeitsdefizite, Atemwegsbeschwerden und chronisches Übergewicht.
Nach den Ausführungen der Klägerin auf ihrer Website bestehe eine Vermutung, dass chronische Beschwerden durch Entzündungsreaktionen zumindest befördert werden. Für solche Entzündungsreaktionen könnten auch Nahrungsmittel mit verantwortlich sein. Ein Hinweis darauf folge aus einem erhöhten Spiegel bestimmter Antikörper. Diese IgG-Antikörper seinen labordiagnostisch nachweisbar. Die Vermeidung der auf diese Weise identifizierten Nahrungsmittel habe in der praktischen Anwendung bereits in zahlreichen Fällen Beschwerden gemindert. Verschiedene Studien unterstützten die Vermutung des Zusammenhangs zwischen Nahrungsmitteln und einzelnen chronischen Beschwerden sowie dem daraus folgenden therapeutischen Ansatz. Wissenschaftlich belegt seien die geschilderten Zusammenhänge zwischen Nahrungsmittelaufnahme und der Beförderung chronischer Beschwerden jedoch noch nicht. Die Zusammenhänge seien außerdem in Wissenschaft und Schulmedizin umstritten. Das x-Konzept sei deswegen eine Methode der Komplementärmedizin.
In den Monaten März bis Oktober 2011 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die steuerlichen Verhältnisse in den Jahren 2007 bis 2009 umfasste. Dabei traf der Außenprüfer folgende Feststellungen:
1. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen seien nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder b UStG steuerbefreit. In beiden Varianten sei es erforderlich, dass die Leistungen einem therapeutischen Zweck dienten. Diese Voraussetzung habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Es sei ihr im Einzelfall gar nicht bekannt, ob der Kunde bzw. Patient überhaupt unter einer Krankheit leide, ob er nur an Ernährungsfragen interessiert oder abnehmen wolle. Die durchgeführten biologischen Analysen erfolgten hiervon unabhängig auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden auf dessen Kosten. Die Untersuchungen seien nicht Teil einer medizinischen Behandlung oder ärztlichen Untersuchung. Eine medizinische...