Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesonderte Feststellung verrechenbarer Verluste bei typischer stiller Gesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
- Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG muss auch bei einer typischen stillen Gesellschaft i.S.d. § 15a EStG eine gesonderte Feststellung über verrechenbare Verluste erfolgen.
- Nach § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB nimmt der stille Gesellschafter am Verlust „nur bis zum Betrage seiner Einlage” teil. Die Vorschrift will aber auf die Gewinnverteilung - im Streitfall: die Verlustverteilung – keinen begrenzenden Einfluss nehmen. Denn § 232 HGB betrifft die Kontenführung, während die Gewinnverteilung in § 231 HGB geregelt ist.
- Die über die Einlage hinausgehenden Verlustvorträge des stillen Gesellschafters sind derart zu berücksichtigen, dass spätere Gewinne des stillen Gesellschafters mit diesen Verlustvorträgen verrechnet werden und zwar schon bei Verlustverteilung nach dem Gesetz.
- Das negative Einlagenkonto des stillen Gesellschafters hat ebenso wie dasjenige des Kommanditisten, lediglich die Funktion eines „Merkpostens”. Die dort ausgewiesenen Verlustanteile müssen mit späteren Gewinnanteilen verrechnet werden.
Normenkette
EStG §§ 15a, 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob und in welcher Höhe ein Verlust aus einer stillen Beteiligung zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin zu 1.) und ihr Ehemann (im folgenden: Ehemann) waren gemeinsam zu 100 v.H. an einer GmbH … beteiligt. Im Dezember … beteiligte sich der Ehemann überdies als stiller Gesellschafter an der GmbH mit einem Kapitalanteil von … DM. Die „Gewinn- und Verlustverteilung” (§ 5 des Gesellschaftsvertrages) sah vor, dass nach einem Vorab für die GmbH die Einlagen zu verzinsen sind und der „verbleibende Restgewinn” an die Gesellschafter, also die GmbH und den stillen Gesellschafter im Verhältnis der „Kapitalien” aufgeteilt werden sollte. …
Der Ehemann ist verstorben. Erben sind die Kläger.
Der Ehemann hatte die Einlage auf die stille Beteiligung in vollem Umfang erbracht. Aufgrund von Verlustanteilen hatte sich die Einlage bis zum 31.12.1985 auf lediglich noch … DM ermäßigt. Für das Jahr 1986 - die Bilanz der GmbH ist im Folgejahr 1987 erstellt - ergab sich ein weiterer Verlustanteil des Ehemannes von … DM. Das Finanzamt erkannte hiervon lediglich noch in Höhe der verbleibenden Einlage von … DM den Verlust an. Dagegen erzielte der Ehemann im Jahre 1987 (festgestellt 1989) einen Gewinnanteil von … DM auf die stille Beteiligung und im Jahre 1988 (festgestellt 1990) einen Gewinnanteil von … DM, die das Finanzamt in voller Höhe als Einkünfte des Ehemannes aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG in den Jahren 1989 und 1990 erfasste.
Demgegenüber waren die Kläger der Auffassung, die Gewinnanteile der Jahre 1987 und 1988 müssten mit dem Verlustanteil 1986, soweit er sich steuerlich noch nicht ausgewirkt habe (… DM), verrechnet werden. Im hiergegen angestrengten Klageverfahren kam der damals zuständige 12. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts zu dem Ergebnis, dass das Klageverfahren auszusetzen sei, weil eine gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 15 a EStG nachzuholen sei, und setzte das dort anhängige Verfahren aus.
Daraufhin gaben die Kläger für die Jahre 1987 bis 1990 Erklärungen zur gesonderten Verlustfeststellung mit folgendem Inhalt ab …
Das Finanzamt stellte demgegenüber die verrechenbaren Verluste für alle Jahre mit lediglich 0,00 DM fest. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Feststellungsbescheid … verwiesen (Gerichtsakte Bl. 7 bis 11). Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.
Die Kläger meinen, auch die über die Einlage hinausgehenden Verlustanteile müssten berücksichtigt werden. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages sei der Ehemann an Gewinn- und Verlust beteiligt, wie sich aus der Überschrift des Abschnitts im Gesellschaftsvertrag ergebe.
Die Kläger beantragen,
wie erkannt zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und beruft sich auf die Vorschrift des § 232 Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach nehme der stille Gesellschafter am Verlust der Gesellschaft nur bis zur Höhe der Einlage teil. Eine abweichende Regelung sei nicht getroffen worden. Der stille Gesellschafter habe keine Nachschusspflicht. Es flössen deshalb bei ihm auch keine Vermögenswerte ab, die einen steuerlichen Abzug als Werbungskosten rechtfertigen könnten. Die darüber hinausgehenden Verlustanteile müssten deshalb der GmbH zugerechnet werden. Wegen der Auffassung des Finanzamtes im einzelnen wird auf den Einspruchsbescheid (Gerichtsakte Bl. 12) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Das Finanzamt muss den Verlust des Jahres 1986, wie erklärt, als verrechenbaren Verlust feststellen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG hat auch bei einer typischen stillen Gesellschaft entsprechend § 15 a EStG eine gesonderte Feststellung über verrechenbare Verluste zu erfolgen. Dies ist hier geschehen.