Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkung des Optionsrechts nach § 9 Abs. 2 UStG bei umfangreichen Umbauarbeiten innerhalb der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG
Leitsatz (redaktionell)
- Die seit dem 1.1.1994 geltende Einschränkung der Optionsmöglichkeit gilt nach Abschn. 148a Abs. 6 Satz 2 UStR auch, wenn ein Gebäude nachträglich durch Herstellungsarbeiten so umfassend saniert oder umgebaut wird, dass ertragsteuerlich gesehen ein anderes Wirtschaftsgut entsteht.
- Das Entstehen eines „anderen” (neuen) Wirtschaftsguts richtet sich bei Umbauten nach der umsatzsteuerlichen Rspr. zur Selbstverbrauchssteuer. Entscheidend ist daher, ob die Alt- oder die Neubauteile dem einheitlichen Wirtschaftsgut das Gepräge geben. Dabei sind in erster Linie die Größen- und Wertverhältnisse der in das einheitliche Wirtschaftsgut eingegangenen Teile zueinander maßgebend.
- Die strenge BFH-Rspr. zu § 7 Abs. 5 EStG kann die zur Selbstverbrauchssteuer ergangene „Gepräge”-Rspr. nicht relativieren.
Normenkette
UStG § 9 Abs. 2, § 27 Abs. 2, § 30; EStG § 7 Abs. 5
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob durch die umfassende Sanierung eines Altbaus ein „anderes” neues Wirtschaftsgut entstanden ist, für welches der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze nach § 9 Abs. 2 UStG ausgeschlossen ist.
Mit Kaufvertrag vom 16. Dezember 1994 erwarb die Klägerin ein Grundstück mit mehreren Gebäuden in der Stadt B. von der Bundesrepublik Deutschland (ehem. Bundeseisenbahnvermögen) zum Preis von 595.000 DM.
Am 20. Dezember 1994 schloss die Klägerin einen Generalunternehmervertag über die schlüsselfertige Erstellung eines Büro- und Schulungszentrums sowie mehrerer Wohnungen auf dem zuvor erworbenen Grundstück. Als Werklohn war ein Preis von 5.277.500 DM vereinbart. Hinsichtlich der Einzelheiten der Baumaßnahmen wird auf die Baubeschreibung vom 7. Juni 1995 Bezug genommen, die in der Einspruchsbescheidung des Beklagten vom 12. November 1999 wiedergegeben ist.
Nach Fertigstellung der Umbauarbeiten des Gebäudes „B-straße” erzielte die Klägerin folgende Vermietungsumsätze:
Name des Mieters |
Mietbeginn |
monatl. Mietumsatz |
qm-Zahl |
qm-Preis |
X GmbH |
01.07.1996 |
24.859,40 DM |
1.603,80 |
15,50 DM |
Dr. U. F. |
01.10.1996 |
4.528,00 DM |
283 |
16,00 DM |
Hausmeister E. |
01.10.1996 |
874,00 DM |
85,40 |
10,40DM. |
Aus dem Gebäude „F-straße” erzielte die Klägerin bereits Mieteinnahmen ab Erwerb durch Übernahme eines bestehenden Mietverhältnisses. Insgesamt wurden aus diesem Gebäude folgende Mieten erzielt:
Name des Mieters |
Mietbeginn |
monatl. Mietumsatz |
qm-Zahl |
qm-Preis |
X GmbH |
01.07.1996 |
176,00 DM |
22 |
8,00 DM |
Hans H. |
01.09.1995 (1950) |
379,07 DM |
74 |
5,10 DM. |
Mit der Umsatzsteuervoranmeldung 12/95 verzichtete die Klägerin nach § 9 Abs. 2 UStG a.F. (Geltung bis zum 31.12.1993) auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze der Fa. X GmbH (Fortbildungs- und Schulungsinstitut) und des Arztes Dr. U. F. nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG.
Die Klägerin behandelte die Mieterträge des Hausmeisters E., der Privatperson Hans H. und der Fa. X GmbH in Höhe eines Anteils von 10 v.H. der monatlichen Mieten für die Nutzung des Anbaus und der Pausenhalle des Nebengebäudes „B-straße” als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG.
Die Klägerin machte für die Streitjahre Vorsteuern in Höhe von insgesamt 633.470,65 DM geltend, die sich wie folgt zusammensetzen:
Vorsteuern auf Baukosten des Generalunternehmers |
683.367,40 DM |
+ Zahlungen direkt GbR |
4.442,47 DM |
+ VoSt zurück (Kto. 1406-1996) |
454,16 DM |
|
688.264,03 DM |
./. VoSt-Kürzung |
|
Wohnung „F-straße” |
- 2.727,45 DM |
Wohnung Hausmeister |
- 24.144,60 DM |
Anbau Nebengebäude |
- 17.674,02 DM |
Pausenhalle |
|
Insgesamt |
633.470,65 DM |
Im Anschluß an eine Umsatzsteuersonderprüfung versagte der Beklagte den begehrten Vorsteuerabzug. Als Begründung führte er an, dass § 9 Abs. 2 UStG in der ab dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung (geändert durch das StMBG vom 21.12.1993 - BGBl I 1993, 2310 -) anzuwenden sei, da die Klägerin mit der Baumaßnahme erst nach dem in der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG genannten Zeitpunkts (10. November 1993) begonnen habe. Demzufolge sei ein Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Vermietungsumsätze der Fa. X GmbH und des Arztes Dr. U. F. nicht möglich, da diese Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien.
Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Sie trägt vor, für das vor dem 11. November 1993 errichtete Altgebäude bestehe für die Vermietungsumsätze die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 2 UStG a.F. Die Neufassung des § 9 Abs. 2 UStG komme vorliegend nicht zur Anwendung, da es bei dem modernisierten Gebäude in der Stadt B. lediglich um ein gleichwertiges und damit nicht um ein neues anderes Wirtschaftsgut handele.
Bei Sanierungsarbeiten und damit zusammenhängenden Umbauten und Abbrucharbeiten handele es sich nicht um die Herstellung eines neuen Gebäudes, sofern die tragenden Teile und die Fundamente des bisherigen...