Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigungsanspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
- Eine Steuerberechnung ist eine formlose Mitteilung an den Insolvenzverwalter.
- Die Umsatzsteuer- und Vorsteuerberichtigung sind nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG bedingungslos und zeitgleich vorzunehmen.
- Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 InsO liegen bereits bei einem sonstigen Bezug zur Insolvenzmasse vor.
Normenkette
AO § 118; InsO §§ 129, 144, 38, 55; UStG §§ 17, 17 Abs. 1, 2 Nr. 1
Streitjahr(e)
2015
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten bei der Umsatzsteuer 2015 darüber, ob eine Steuerberechnung einen Verwaltungsakt darstellt, ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gegeben sind und ob es sich bei der daraus resultierenden Zahllast um eine Masseverbindlichkeit handelt.
Die X-GmbH (im Folgenden: GmbH) mit Sitz in A war Teil der D-Gruppe. Die Unternehmensgruppe war auf dem Gebiet der […] tätig. Zu der Unternehmensgruppe gehörte die […] als Holdinggesellschaft mit ihren operativen Tochtergesellschaften, u. a. der GmbH. Die GmbH erbrachte die […] und verfügte über […]. Eine umsatzsteuerliche Organschaft lag nicht vor.
Über das Vermögen der Holdinggesellschaft sowie mehrerer ihrer Tochtergesellschaften wurde im Jahr […] jeweils ein Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Auch über das Vermögen der GmbH eröffnete das Amtsgericht […] mit Beschluss vom […] ein Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
In der Zeit vor Insolvenzeröffnung bezog die GmbH zum Vorsteuerabzug berechtigende Eingangsleistungen und -lieferungen von Unternehmen, die nicht zur D-Gruppe gehörten. Den Vorsteuerabzug aus diesen Lieferungen und Leistungen nahm die GmbH in den entsprechenden Veranlagungszeiträumen vor Insolvenzeröffnung in Anspruch. Die entsprechenden Eingangsrechnungen waren jeweils an die GmbH als Leistungsempfängerin adressiert. Sie wurden jedoch u.a. von der mittlerweile ebenfalls insolventen Holdinggesellschaft sowie ihrer Schwestergesellschaft G bezahlt, wobei der Grund für diese übernommenen Zahlungen nicht mehr feststellbar war. Auch die GmbH bezahlte vor der Insolvenzeröffnung Eingangsrechnungen der Holdinggesellschaft sowie ihrer Schwestergesellschaften. Im Rahmen der Insolvenzverfahren der Holdinggesellschaft und der G forderte der Kläger als deren Insolvenzverwalter die an die leistenden Unternehmer gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt x,xx Euro brutto im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 134 der Insolvenzordnung (InsO) als sog. unentgeltliche Leistung zurück. Die leistenden Unternehmer zahlten die entsprechenden Beträge im Jahr 2015 an die Insolvenzmasse der jeweils ursprünglich die Zahlung veranlassten Holdinggesellschaft bzw. der G zurück. Mit der Rückzahlung lebte der Anspruch auf Zahlung des leistenden Unternehmers gegen die GmbH nach § 144 Abs. 1 InsO wieder auf und konnte von ihm zur Insolvenztabelle der GmbH angemeldet werden. Eine Zahlung blieb bislang aus und wird erst im Rahmen einer etwaigen Verteilung der Insolvenzmasse bei Abschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH erfolgen.
Der Kläger reichte für das Streitjahr eine Umsatzsteuererklärung unter der Massesteuernummer der GmbH ein, welche nach § 168 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der GmbH stellte der Prüfer u. a. für das Streitjahr den zuvor dargestellten Sachverhalt fest. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom xx.xx.2019 Bezug genommen.
Der Beklagte folgte den Feststellungen des Umsatzsteuer-Sonderprüfers und erließ unter der Massesteuernummer für das Jahr 2015 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er die an die GmbH gezahlte Vorsteuer aufgrund der von den leistenden Unternehmern getätigten Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zurückforderte. Den Umsatzsteuerbescheid adressierte der Beklagte an den vom Kläger beauftragten Steuerberater. Als Bekanntgabe- und Inhaltsadressat gab er „Insolvenzverfahren X-GmbH” an.
Nachdem sich der Kläger gegen diesen Umsatzsteuerbescheid wandte, hob der Beklagte ihn mangels wirksamer Bekanntgabe auf. Damit war die erstmalige Steuerfestsetzung wieder wirksam.
Der Beklagte ordnete die zurückgeforderten Vorsteuerbeträge nunmehr als Insolvenzforderung und nicht länger als Masseverbindlichkeit ein. Es erging deshalb für das Jahr 2015 unter der vor Insolvenzeröffnung geltenden Umsatzsteuernummer der GmbH eine Steuerberechnung, welche als Grundlage für eine Anmeldung der Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle dienen sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steuerberechnung Bezug genommen. Eine Anmeldung zur Insolvenztabelle erfolgte nicht.
Einige Monate später informierte der Beklagte den Kläger darüber,...