vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [II R 22/12)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer und Berücksichtigung des Pflegefreibetrages
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Pflegefreibetrag kann bei der Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG berücksichtigt werden.
- Bei § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG handelt es sich nicht um eine Freigrenze sondern um einen Freibetrag.
- Die Berücksichtigung eines Freibetrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil der Stpfl. als Vater des Erblassers zum Kreis der gemäß § 1601 BGB gesetzlich Unterhaltsverpflichteten zählt.
- Die Regelung soll ein finanzielles und/oder ideelles Opfer honorieren, das der Erbe zu Gunsten des Erblassers erbracht hat. Ein solches erbringt nicht, wer ohnehin schon kraft Gesetzes verpflichtet ist, für die Kosten der Pflege aufzukommen.
- Die Höhe der beim Pflegefreibetrag zu berücksichtigenden Pflegeleistungen kann entsprechend den Sätzen der Pflegeversicherung berechnet werden.
Normenkette
ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Pflegefreibetrag gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zu berücksichtigen ist.
Der Kläger ist Vater und Erbe zu 1/2 nach dem am 25. Juni 2010 verstorbenen A Miterbin ist die Ehefrau des Klägers, die Klägerin in dem Klageverfahren 3 K 230/11. A erlitt am 31. März 2008 einen schweren Verkehrsunfall und wurde dadurch zu einem Pflegefall. Er wurde zunächst im Zeitraum 31. März 2008 bis zum 30. April 2009 in verschiedenen Kliniken behandelt. Vom 30. April bis zum 20. September 2009 nahmen ihn der Kläger und seine Ehefrau in ihr Haus auf, ebenso in den Zeiträumen vom 20. September 2009 bis zum 16. Dezember 2009, vom 29. Dezember 2009 bis zum 1. Februar 2010 sowie vom 17. Juni 2010 bis zum 25. Juni 2010. In dem letztgenannten Zeitraum nahmen der Kläger und seine Frau zusätzlich die Unterstützung durch den Pflegedienst ACare in Anspruch. Zwischenzeitlich (20. September 2009 bis 30. September 2009, 16. Dezember 2009 bis 29. Dezember 2009 sowie 1. Februar 2010 bis 17. Juni 2010) war A wieder in verschiedene Krankenhäuser eingewiesen.
Die B Krankenkasse gewährte A zunächst Pflegegeld nach der Pflegestufe II und ab dem 1. Mai 2009 Leistungen nach der Pflegestufe III (monatlich 675,- €). Das Pflegegeld wurde auf das Konto von A überwiesen. Der Kläger, seine Ehefrau sowie die Schwester T haben A abwechselnd gepflegt. Ein Entgelt erhielten sie dafür nicht. Der Kläger hat beispielhaft für den Zeitraum 1. Januar bis 6. Januar 2010 ein Pflegetagebuch vorgelegt. Darin werden diverse Pflegetätigkeiten, und zwar auch nachts, aufgeführt. Für den 1. Januar 2010 addieren sich beispielsweise die angegebene Dauer der Tätigkeiten auf 5 Stunden 33 Minuten. Die medizinischen Dienste der Krankenversicherung N und im Lande B haben in einem Bericht vom 15. Oktober 2009 den Zeitaufwand für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung auf mindestens 300 Minuten täglich eingeschätzt. Hiervon entfielen mindestens 240 Minuten auf die Grundpflege. Im Entlassungsbericht des Klinikums O vom 17. Juni 2010, der sich auf den dortigen Aufenthalt ab 18. Februar 2010 bezieht, heißt es, A habe während des stationären Aufenthalts intensivierte und aktivierende Pflege nach dem 24h-Stunden-Bobath-Konzept erhalten. Die Beauftragung des Pflegedienstes ACare beruht auf einer Verordnung einer 10-stündigen täglichen Behandlungspflege von 22.00-8.00 Uhr.
Der Kläger reichte die Erbschaftsteuererklärung am 4. März 2011 beim Beklagten ein. Dieser setzte mit Erbschaftsteuerbescheid vom 21. März 2011 die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 15.730,- € fest. Dabei berücksichtigte er insoweit abweichend von der Steuererklärung nicht die geltend gemachten Vermächtnisse zugunsten der Geschwister von A in Höhe von jeweils 14.000,- € und auch nicht den in Ansatz gebrachten Freibetrag für Pflegeleistungen in Höhe von 20.000,- €. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte insoweit teilweise Erfolg, als der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2011 die Vermächtnisse anerkannte und die Erbschaftsteuer auf 14.190,- € herabsetzte.
Der Kläger hat am 29. Juni 2011 Klage erhoben. Dabei wurde in der Klageschrift als Beklagter das Finanzamt O-L benannt. Beigefügt waren der Erbschaftsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des Beklagten. In der Klageschrift wird die Steuernummer 65/620/… angegeben. Dabei bezieht sich die erste Ziffer auf das Finanzamt O-L, wohingegen dem Beklagten die Ziffer 66 zugeordnet ist. Bei der nachfolgenden Ziffer 620 handelt es sich jedoch um eine Kennziffer, die Erbschaftsteuerfestsetzungen kennzeichnet. Das Finanzamt O-L ist für Erbschaftsteuerfälle nicht zuständig; vielmehr verfügt der Beklagte über eine zentralisierte Erbschaftsteuerstelle.
Der Kläger meint, dass ein Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG zu berücksichtigen sei. Trotz des missverständlichen Wortlauts des Gesetzestext...