Entscheidungsstichwort (Thema)
Außenprüfung bei Einzelhandelsunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
Keine Änderung nach § 173 AO, wenn nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit dargetan ist, dass Betriebseinnahmen nicht erklärt wurden.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind Hinzuschätzungen aufgrund einer Außenprüfung.
Der Kläger ist verheiratet wird mit der Klägerin zusammenveranlagt. Der Kläger führt seit dem 1. Juni 1993 als Einzelunternehmer einen Einkaufsladen im Ortskern von A, das sogenannte „… A“. Das Warensortiment umfasst vorwiegend Bau-und Heimwerkerbedarf, ebenso Dekoartikel, Schreibwaren, Zeitungen, Lotterielose, Tabak sowie diverse andere Haushaltswaren. Außerdem kauft und verkauft bzw. vermittelt der Kläger Edelmetall.
Zudem bietet der Kläger verschiedene Dienstleistungen an. Seinen Gewinn ermittelt der Kläger durch Einnahmenüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG.
Der Kläger verwendet eine elektronische Kasse des Modells Olympia CM 942, die auf den täglich ausgedruckten Z-Bons insgesamt 5 Warengruppen (Verkauf 19%, Verkauf 7%, Versandhandel, Wäscherei, Lotto) ausweist. Eine weitere Aufgliederung oder Aufzeichnung der Umsätze nach den einzelnen Waren und Dienstleistungen nimmt der Kläger nicht vor. Auf den Z-Bons hat der Kläger gelegentlich handschriftliche Korrekturen vorgenommen.
Außerdem führt der Kläger tägliche Kassenberichte, die wie folgt aufgebaut sind:
+ Erlöse (soll) laut Bon
- abzüglich EC-Umsatz
- abzüglich Auszahlung
+ zuzüglich Einzahlungen
= Kassenbestand (Soll)
Der Kassenbestand am Ende des Tages wird nahezu ausschließlich mit 0,- € angegeben; der Kläger erläutert insoweit, dass er den gesamten Kassenbestand mit nach Hause nehme. Die Wechselgeldeinlage bei Geschäftseröffnung wird in der Kategorie „+ zuzüglich Einzahlungen“ erfasst; für einige Tage der Streitjahre beläuft sich die Eintragung auf 0,- €. Überwiegend entsprechen die Eintragungen im Kassenbericht den Zahlenwerten auf den Z-Bons. Soweit der Kläger handschriftliche Korrekturen auf den Z-Bons vorgenommen hat, entsprechen die Eintragungen im Kassenbericht teils den korrigierten Zahlen auf den Z-Bons (z.B. 12. August 2015, Bl. 143 BP-Arbeitsakte: Korrektur der EC-Umsätze auf dem Z-Bon von 260,64 € auf 254,64 €; Eintragung EC-Umsätze laut Kassenbericht 254,64 €), teils werden die Korrekturen nicht in den Kassenbericht übernommen (z.B. 21. August 2015 Bl. 188R BP-Arbeitsakte: Erhöhung der EC-Umsätze um 28,55 € auf dem Z-Bon und entsprechende Kürzung der Auszahlung; in den Kassenbericht wird der nicht korrigierte Auszahlungsbetrag übernommen).
Für den 24. April 2015 ergibt sich ein Kassenendbestand von 136,44 €. Für den Folgetag, den 25. April 2015 wird dieser nicht als Einzahlung notiert. Außerdem entsprechen die Erlöse und die Auszahlung laut Kassenbericht den auf dem Z-Bon ausgewiesenen Beträgen (Bl. 194 BP-Arbeitsakte).
Der Beklagte veranlagte die Kläger (Einkommensteuer) bzw. den Kläger (Gewerbesteuer) mit Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden 2013 vom 17. April 2015, 2014 vom 14. März 2016 und 2015 vom 4. Oktober 2016 jeweils erklärungsgemäß zur Einkommensteuer. Der Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheid 2015 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2013 und 2014 ergingen endgültig. Die Umsatzsteuererklärungen 2013-2010 verarbeitete der Beklagte ohne Abweichung, so dass sie nach § 168 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden.
In der Zeit vom 14. März 2017 bis zum 30. Juni 2017 fand beim Kläger eine Außenprüfung statt. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger seinen Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG nicht hinreichend nachgekommen wäre, weil er nicht sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten habe. Zudem sei nicht erkennbar, ob der Kläger Umsätze zu verschiedenen Steuersätzen zutreffend getrennt habe. Da nicht feststellbar sei, welche Artikel wann zu welchem Preis verkauft worden seien, könne auch nicht überprüft werden, ob auf die Umsätze der zutreffende Steuersatz angewandt worden sei. Zwar sei der Kläger als 4/3-Rechner grundsätzlich nicht zum Führen eines Kassenbuchs verpflichtet. Werde aber freiwillig ein Kassenbuch geführt, so müsse dieses in vollem Umfang den gesetzlichen Anforderungen genügen. Das für die Jahre 2013/2014 in Form einer Excel-Tabelle erstellte Kassenbuch sei nicht gegen nachträgliche Änderungen geschützt und entspreche somit nicht den Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen. Seit dem Jahre 2015 werde für jeden Kalendertag eine Kassenübersicht erstellt, in der die täglichen Einnahmen, Ausgaben, Einlagen und Entnahmen festgehalten würden. Den Aufzeichnungen sei zu entnehmen, dass täglich der gesamte Kassenbestand bei Geschäftsschluss entnommen werde. An einigen Tagen seien keine Einlagen in die Kasse aufgezeichnet worden...