Entscheidungsstichwort (Thema)
Heileurythmie als steuerfreie Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit steuerfrei.
- Eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung ist für das Berufsbild des Heileurythmisten in Deutschland bislang nicht erlassen worden.
- Dennoch sind Umsätze eines Heileurythmisten sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn der Leistungserbringer Mitglied des Bundesverbandes für Heileurythmie ist und der Bundesverband mit den Krankenkassen Verträge zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf Grundlage des § 140a SGB V abgeschlossen hat.
Normenkette
UStG 2005 § 4 Nr. 14 Buchst. a; SGB V § 140a
Streitjahr(e)
2010
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin ist als Heileurythmistin tätig. Die Heileurythmie ist eine Therapie, die mit Bewegungen heilt, die vom Patienten selbst unter fachlicher Anleitung des Therapeuten (Heileurythmisten) durchgeführt werden. Sie wurde 1921 von Dr. Rudolf Steiner als Bestandteil der Anthroposophischen Medizin entwickelt.
Die Klägerin hat steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erklärt. Demgegenüber hat der Beklagte die Einnahmen in Höhe von 40.034,-- € mit Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 29.10.2011 als steuerpflichtige Umsätze behandelt und Umsatzsteuer in Höhe von 7.606,46 € festgesetzt. Vorsteuerbeträge wurden nicht berücksichtigt.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, die von ihr erbrachte Leistung als heilberufliche Tätigkeit i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG anzusehen sei.
Ihre berufliche Qualifikation als Heileurythmistin ergebe sich aus ihrem Ausbildungsgang. Im Anschluss an eine vierjährige Grundausbildung in Eurythmie (Eurythmieschule am Institut für Walddorfpädagogik) habe sie ein 1,5 jähriges (Vollzeit-) Aufbaustudium in Heileurythmie an der Schule für eurythmische Heilkunst, Pforzheim, absolviert. Aufgrund der Prüfung sei ihr am 13.12.2003 das Heileurythmie-Diplom, ausgestellt gemeinsam von der Schule für eurythmische Heilkunst, Pforzheim und der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaften, Dornach, Schweiz verliehen worden. Ihre Ausbildung als Heileurythmistin sei nach den verbandsinternen Kriterien des deutschen Berufsverbandes Heileurythmie e.V. sowie der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaften am Goetheanum anerkannt.
Die Heileurythmie sei eine Heilbehandlung i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG. Die Heileurythmie-Behandlungen erfolgten stets – wie nach der Leitlinie Heileurythmie und dem Hinweisblatt „Heileurythmie als Behandlungsmethode der Anthroposophischen Medizin” vorgeschrieben – aufgrund einer ärztlichen Verordnung. Sie dienten insbesondere der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen und verfolgten damit ein therapeutisches Ziel.
Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 29.10.1999 - 2 BvR 1264/90) sei das Fehlen einer berufsrechtlichen Regelung für sich genommen noch nicht ausreichend, eine Ähnlichkeit mit einem der in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG genannten Beruf zu verneinen. Vielmehr sei auf den Zweck der Steuerbefreiung abzustellen, die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten.
Seit Anfang 2006 hätten mehrere gesetzliche Krankenkassen Verträge zur Integrierten Versorgung mit Anthroposophischer Medizin auf Grundlage der §§ 140 a SGBV abgeschlossen (sog. „IV-Verträge”). Diese „IV-Verträge” regelten die Versorgung der Versicherten mit Leistungen der Anthroposophischen Medizin. Die Heileurythmie sei ausdrücklich Bestandteil dieser Verträge.
Aufgrund dieser „IV-Verträge” erfolge seit 2006 eine Kostenerstattung für die Heileurythmie durch die an diesem Verfahren beteiligten Krankenkassen.
Auf Grundlage dieser „IV-Verträge” finde auch eine Qualitätssicherung in Bezug auf Ausbildung und Qualifikation der beteiligten Therapeuten statt. Die Leistungserbringung im Rahmen dieser Verträge setze also eine Zulassung des Leistungserbringers seitens des Berufsverbandes voraus. Seitens des Berufsverbandes Heileurythmie werde diese Zulassung erteilt, wenn der Antragsteller eine anerkannte Heileurythmie-Ausbildung mit Prüfung erfolgreich abgeschlossen habe. Die Klägerin, die Mitglied im Bundesverband Heileurythmie e. V. sei, sei vom Bundesverband am 28.09.2009 zur Teilnahme an den „IV-Verträgen” zugelassen worden.
Streitig sei allein die Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung: Während das Finanzamt die Umsatzsteuerbefreiung auf diejenigen Umsätze beschränke, denen „IV-Verträge” zugrunde liege, verstehe die Klägerin das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 201...