Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein Erststudium als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben (Abweichung von der ständigen BFH-Rechtsprechung)
Leitsatz (redaktionell)
- Für die Annahme einer beruflichen Veranlassung und damit für den Werbungskosten-Abzug genügt es, wenn die Aufwendungen den Beruf des Arbeitnehmers nur im weitesten Sinne fördern.
- Die Rechtsprechung des BFH zum Inhalt des Begriffs Ausbildungskosten i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist uneinheitlich.
- Zu den Werbungskosten gehören die Kosten jeder erwerbsbezogenen Fachbildung. Dazu kann auch ein erstmaliges Hochschulstudium als Fortbildungsmaßnahme zählen.
- Die typisierende Betrachtung des BFH zu den Kosten eines Erststudiums ist auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht zu rechtfertigen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, § 19 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
1995
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen der Klägerin für ein berufsbegleitendes Studium bei der AKAD (Akademikergesellschaft für Erwachsenenfortbildung) in Höhe von DM 10.185,-- als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in voller Höhe oder als Sonderausgaben mit dem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag von DM 900,-- zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin ist von Beruf Bankkauffrau. Ihre Berufsausbildung endete im Mai 1991. Im Jahr 1993 – zu diesem Zeitpunkt war sie bereits als Kreditsachbearbeiterin bei einer privaten Hypothekenbank tätig – begann sie neben ihrer Erwerbstätigkeit ein Fernstudium im Fachbereich Betriebswirtschaftslehre bei der AKAD. Der Studiengang sah die Möglichkeit vor, nach 2 Jahren die Prüfung zum Wirtschaftsassistenten IHK abzulegen. Es bestand aber auch die Möglichkeit, das Studium nach 4 Jahren mit dem Abschluss als Diplom-Betriebswirtin zu beenden. Im Jahre 1999 absolvierte die Klägerin erfolgreich das Examen mit dem Abschluss als Diplom-Betriebswirtin. Der Arbeitgeber der Klägerin erstattete ihr nach dem Examen einen Teil der Studienkosten in Höhe von DM 8.500,-- unter dem Vorbehalt einer teilweisen Rückzahlungspflicht bei einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses innerhalb der nächsten 3 Jahre. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Deutschen Hypothekenbank vom 30.07.1999 (Bl. 54 GA) Bezug genommen. Die Erstattung des Arbeitgebers wurde im Jahre 1999 dem Lohnsteuerabzug unterworfen und im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1999 als Arbeitslohn behandelt. Die Klägerin ist auch heute noch als Kreditsachbearbeiterin bei derselben Bank tätig.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 machte die Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Studienkosten in Höhe von DM 10.185,36, die der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig sind, als „Fortbildungskosten für das Studium als Wirtschaftsassistentin” geltend. Der Beklagte behandelte die Aufwendungen der Klägerin als Kosten für ihre Aus- oder Weiterbildung in einem nicht ausgeübten Beruf und berücksichtigte sie mit dem Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von DM 900,--.
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, es handele sich bei dem Studium um eine Fortbildungsmaßnahme und nicht um eine ganz neue Ausbildung. Sie benötige die während des Studiums erlangten Kenntnisse für ihre berufliche Tätigkeit als Kreditsachbearbeiterin. Dazu legte sie eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers der X Bank vom 28.11.1996 vor (Bl. 25 GA). Darin heißt es:
„Im Rahmen ihres betriebswirtschaftlichen Studiums erweitert und vertieft Frau A. ihre bankspezifischen Fachkenntnisse, insbesondere in den Teilbereichen Bilanzen, Steuern und Rechnungswesen. Die dabei erworbenen Kenntnisse sind für die Ausübung ihrer Tätigkeit als Kreditsachbearbeiterin in unserem Hause erforderlich, um so die sich im Zeitablauf wandelnden und permanent wachsenden Anforderungen ihrer beruflichen Tätigkeit erfüllen zu können.
Die während ihres Studiums von ihr zu leistenden wissenschaftlichen, praxisnahen Arbeiten werden in Abstimmung und enger Zusammenarbeit mit der X Bank erstellt. Die dabei gewonnenen Ergebnisse kann die X Bank für eigene Zwecke verwenden.
Die X Bank erstattet Frau A. keinerlei Kosten dieser Fortbildungsmaßnahme.”
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Nachdem zunächst vorgetragen worden war, dass die Klägerin lediglich den Abschluss als Wirtschaftsassistentin anstrebte, stellte sie im Klageverfahren klar, dass sie nicht das kürzere Studium mit dem als Wirtschaftsassistentin, sondern das 4jährige Studium mit dem Examen Abschluss als Diplom-Betriebswirtin abgeschlossen hat. Die Klägerin macht im wesentlichen geltend, dass ihr berufsbegleitendes Studium dem Zweck diente, ihre für die Ausübung ihres Berufs erforderlichen Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen, um so den Anforderungen ihres Berufs besser gerecht werden zu können. Ein solches Studium könne nicht als „Erststudium” qualifiziert werden.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuer 1995 auf D...