Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücklage nach § 6c EStG: Übertragung von Nutzungsrechten zur Errichtung eines Windparks („überirdischer Bodenschatz”)
Leitsatz (redaktionell)
- § 6b EStG begünstigt nur die Veräußerung des „nackten” Grund und Bodens. Dieser Begriff wird enger gefasst als der Begriff „Grundstück” nach BGB.
- Ein Nutzungsrecht zur Errichtung eines Windparks kann ein vom Grund und Boden getrenntes, eigenständiges WG darstellen.
- Zum Begriff des WG.
- Die BFH-Rechtsprechung zur Qualifizierung eines Bodenschatzes als WG ist auf Rechte zur überirdischen Nutzung von Grundstücken anzuwenden.
- Zahlt der Käufer eines Grundstücks an den Verkäufer eine „Entschädigungsprovision”, weil ein bereits vor dem Verkauf vereinbartes Nutzungsrecht zur Errichtung eines Windparks auf dem Grundstück in Anspruch genommen wird, handelt es sich um einen - ggf. nicht steuerbaren - Kaufpreis für ein eigenständiges WG „Nutzungsrecht”. Eine § 6c EStG-Rücklage kann insoweit nicht gebildet werden.
Normenkette
EStG § 6c
Streitjahr(e)
2009
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine an den Kläger geleistete Zahlung als nachträglicher Erlös für die Veräußerung von Grund und Boden qualifiziert und in eine Rücklage nach §§ 6b, 6c des Einkommensteuergesetzes (im Folgenden: EStG) eingestellt werden kann.
Der Kläger ist Landwirt und wird mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Gewinne werden durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und aufgrund des Wirtschaftsjahres vom 1. Juli bis 30. Juni halbjährlich auf die Veranlagungszeiträume verteilt.
Mit Datum vom 12. Januar 2007 schloss der Kläger mit der P. Windpark Fonds GmbH & Co. KG (im Folgenden: P.KG) einen Nutzungsvertrag (im Folgenden: Nutzungsvertrag). Vertragszweck war die Überlassung von Flächen zur Errichtung eines Windparks und deren Nutzung zur Energieerzeugung. In § 6 vereinbarten die Parteien ein jährliches Nutzungsentgelt, dessen Zahlung mit Inbetriebnahme des Windparks, spätestens 9 Monate danach, beginnen sollte. Die Höhe des Nutzungsentgeltes wurde nach einem Prozentsatz der Gesamtvergütung festgelegt, sollte jedoch mindestens 15.300 € pro Jahr betragen. Nach § 13 des Nutzungsvertrages verpflichtete sich der Kläger dazu, dass bei einem Eigentümerwechsel der belasteten Fläche in den zugrunde liegenden Übertragungsvertrag eine Klausel aufzunehmen sei, wonach die von ihm eingegangenen Verpflichtungen von dem neuen Eigentümer übernommen werden würden. Eine Genehmigung für die Errichtung des Windparks lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor.
Mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2007 (im Folgenden: der Kaufvertrag) veräußerte der Kläger einen Teil der mit dem Nutzungsrecht belasteten Grundstücksflächen mit einer Gesamtgröße von 161.979 m2. Der Buchwert der veräußerten Flächen betrug 120.779,79 €. Der Bodenrichtwert für land- und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden betrug zum 1. Januar 2008 0,65 €, so dass der Verkehrswert dieser Grundflächen bei etwa 106.000 € gelegen haben dürfte. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von 114.000 € vereinbart. Der Übergang von Nutzen und Lasten fand am 28. Februar 2008 mit der vollständigen Zahlung dieses Kaufpreises statt.
In § 3 Buchstabe b) des Kaufvertrages wurden die aus dem Nutzungsvertrag eingegangen Verpflichtungen von dem Käufer übernommen. In § 3 Buchstabe a) wurde für den Fall, dass „die Firma P. […] den vorgenannten Grundbesitz mit Windenergieanlagen bebauen” sollte, vereinbart, dass der Käufer eine einmalige Entschädigungsprovision in Höhe des mit dem Faktor 11 multiplizierten Jahrespachtpreises an den Kläger zu leisten habe.
In der Anlage zu seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 ermittelte der Kläger aus dem Verkauf des Grund und Bodens einen (nichtabzugsfähigen) Verlust i. H. v. (114.000 € ./. 120.779,79 € =) 6.779,79 €.
Nachdem die P.KG im Laufe des Jahres 2009 die entsprechende Genehmigung auf dem Gerichtswege erstritten hatte, wurde der von dem Kläger veräußerte Grundbesitz im Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 mit Windparks bebaut und entsprechend der Vereinbarung im Kaufvertrag eine Entschädigungsprovision i. H. v. insgesamt 123.780,35 € in 4 Raten von September bis November 2010 an den Kläger bezahlt.
Mit seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009, das Streitjahr, legte der Kläger eine Berichtigung der Anlage zu seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 vor und behandelte darin die erhaltene Zahlung i. H. v. 123.780,35 € als nachträgliche Kaufpreiszahlung für den Grund und Boden. Gleichzeitig beantragte er, den dadurch entstandenen Gewinn aus der Veräußerung i. H. v. 117.000,56 € (ebenfalls rückwirkend für das Wirtschaftsjahr 2007/08) in eine Rücklage nach § 6c EStG einzustellen. Von dieser Rücklage sollten für das Wirtschaftsjahr 2008/09 und 2009/10 17.650 € (zzgl. Zinsen i. H. v. 2.118 €) gewinnerhöhend aufgelöst werden.
Das beklagte Finanzamt folgte dieser Berechnung bei der Ve...