Verfahrensgang
VG Lüneburg (Beschluss vom 18.08.2004; Aktenzeichen 6 B 109/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg – 6. Kammer – vom 18. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 534,76 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin als Nichte des am … verstorbenen Herrn C. nicht zum Kreis der „nahen” Angehörigen eines Verstorbenen zählt, die nach niedersächsischen Landesgewohnheitsrecht totenfürsorgeberechtigt und damit bestattungspflichtig sind. Die Antragstellerin kann daher nicht zur Übernahme der mit dem angefochtenen Bescheid von der Antragsgegnerin geltend gemachten Bestattungskosten herangezogen werden.
Der Senat hat bereits mehrfach entscheiden, dass die „nahen” Angehörigen eines Verstorbenen landesgewohnheitsrechtlich dazu verpflichtet sind, für dessen Bestattung zu sorgen (vgl. Senatsbeschl. vom 19.5.2003 – 8 ME 76/03 – NST-N 2003, 205 unter Bezugnahme auf die Senatsbeschlüsse vom 9.12.2002 – 8 LA 158/02 –, NdsVBl 2003, 109, sowie vom 9.7.2002 – 8 PA 94/02 – m.w.N.; Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Auflage, S. 116 ff.). Zu diesem Personenkreis gehören nicht nur die Kinder und der Ehegatte, sondern auch die Eltern und Geschwister des Verstorbenen (Senatsbeschl. vom 9.12.2002, a.a.O., m.w.N.).
Dass zu dem kraft Landesgewohnheitsrechts bestattungspflichtigen Personenkreis der „nahen” Angehörigen darüber hinaus auch – wie hier streitig – Nichten und Neffen des Verstorbenen gehören, kann hingegen nicht festgestellt werden. Gewohnheitsrecht entsteht durch längere Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.2.1973 – 2 BvR 667/72 – BVerfGE 34, 293, 303 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 11. Auflage, § 25 Rn 12 f., m.w.N.). Eine dahingehende gewohnheitsrechtliche Überzeugung, dass Nichten und Neffen in Ermangelung vorrangig verpflichteter näherer Angehöriger verpflichtet sind, die Bestattung ihres Onkels aufgrund rechtlicher Verpflichtung zu übernehmen, lässt sich jedoch für Niedersachsen nicht feststellen. Eine entsprechende Rechtspraxis ist auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen worden.
Zudem spricht die Herleitung der Bestattungspflicht dagegen. Wie sich aus den o.a. Senatsbeschlüssen ergibt, wird die Bestattungspflicht aus dem Recht und der Pflicht auf die sogenannte „Totenfürsorge” hergeleitet, die wiederum Ausfluss des familienrechtlichen Verhältnisses ist, das den Verstorbenen bei Lebzeiten mit dem Überlebenden verbunden hat und über den Tod hinaus fortdauernd gegenüber dem toten Familienmitglied Pietät und Pflege seines Andenkens gebietet (Gaedke, a.a.O, S. 118). Ein solches Familienverhältnis wird jedoch in der Regel zwischen Nichten und Neffen des Verstorbenen nicht in gleicher und enger Weise wie zu den anerkannt totenfürsorgeberechtigten Personen wie Kindern, Ehegatten, Eltern und Geschwistern des Verstorbenen bestehen.
Gegen die Annahme einer landesgewohnheitsrechtlichen Bestattungsverpflichtung für Nichten und Neffen spricht ferner, dass § 6 Abs. 3 des Gesetzentwurfes der Landtagsfraktionen von CDU und FDP für ein Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen vom 2. Juni 2004 (Drs. 15/1150) nunmehr ausdrücklich den Kreis der Personen benennt, die zukünftig aufgrund dieser landesgesetzlichen Regelung bestattungspflichtig sein sollen, Nichten und Neffen aber nicht einbezieht. Hinweise darauf, dass damit eine bestehende gewohnheitsrechtliche Verpflichtung aufgehoben werden soll, fehlen. Vielmehr wird in der Begründung des Entwurfes (Drs. 15/1150, S. 15) ausdrücklich auf die „üblicherweise in erster Linie den nächsten Angehörigen obliegende Totenfürsorge, an die die Bestattungspflicht anknüpft,” verwiesen.
Schließlich sind auch in mehreren anderen Ländern, in denen ausdrückliche Regelungen über den Kreis der Bestattungspflichtigen bestehen (vgl. die Übersicht bei Gaedke, a.a.O, S. 342 ff.), Nichten und Neffen nicht bestattungspflichtig, nämlich etwa in Baden-Württemberg nach § 31 Abs.1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Baden-Württembergischen Gesetzes über das Friedhofs- und Leichenwesen vom 21. Juli 1970 (BW GBl. S. 395), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7.2.1994 (BW GBl. S. 86), in Berlin gemäß § 16 Abs. 1 des Berliner Bestattungsgesetzes vom 2. November 1973 (Berliner GVBl. S. 1983), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. September 1995 (Berliner GVBl. S. 608), in Bremen nach § 17 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bremer Gesetzes über das Leichenwesen vom 27. Oktober 1992 (Bremer GBl. S. 627), geändert durch Gesetz vom 25. März 1997 (Bremer GBl. S. 129), in Nordrhein-Westfalen nach § 2...