Leitsatz

Das OLG Naumburg hat sich in seinem Beschluss mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit in einem Unterhaltsverfahren die gerichtlich angeordnete Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten über das Einkommen des Unterhaltspflichtigen einen schweren Verfahrensverstoß darstellt, der zur Niederschlagung der entstandenen Sachverständigenkosten gemäß § 21 Abs. 1 GKG führt.

 

Sachverhalt

Die Parteien des Rechtsstreits waren die nicht miteinander verheirateten Eltern eines minderjährigen Kindes. Die Klägerin hatte den - selbständig erwerbstätigen - Beklagten wegen Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB zunächst auf Auskunft und nach Vorlage umfangreicher Unterlagen beziffert auf Unterhaltsleistungen in Anspruch genommen.

Das AG hat schriftlichen Sachverständigenbeweis "über das Einkommen des Beklagten aus selbständiger Tätigkeit in dem Zeitraum vom 1.1.2003 bis 31.12.2005" erhoben. Der Sachverständige hat am 23.4.2008 ein schriftliches Gutachten erstattet und hierfür Gebühren und Auslagen i.H.v. insgesamt 2.767,23 EUR geltend gemacht, die ihm erstattet wurden.

Noch vor Aufnahme der Tätigkeit des Sachverständigen forderte der Beklagte, von der Begutachtung abzusehen, weil diese auf einen Ausforschungsbeweis hinauslaufe und durch die bereits vorgelegten Unterlagen und das Vorbringen der Klägerin nicht veranlasst sei. Soweit ergänzende Unterlagen erforderlich seien, müsse deren Einreichung durch das Gericht und nicht durch den Sachverständigen veranlasst werden.

In dem abschließenden Verhandlungstermin, zu dem das Sachverständigengutachten vorlag, beantragte der Beklagte Niederschlagung der durch die Einholung des Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung, da das Gutachten von vornherein auf Ausforschung gerichtet gewesen sei und im Übrigen lediglich allgemeine Rechtsausführungen und rechtliche Bewertungen enthalte, die eigentlich - nach entsprechendem Bestreiten der Klägerin - Sache des Gerichts seien. Fachliche Feststellungen des Sachverständigen seien - soweit überhaupt erheblich - nicht auf gesicherte Feststellungen, sondern auf Vermutungen gegründet.

Im Verhandlungstermin am 12.2.2009 schlossen die Parteien über den streitgegenständlichen Unterhaltsanspruch einen Vergleich, der eine Kostenregelung nicht enthielt.

Das AG hat mit Beschluss vom 25.7.2009 den Antrag des Beklagten auf Niederschlagung der Sachverständigenkosten mit der lapidaren Begründung zurückgewiesen, dass im Hinblick auf die von dem Beklagten vorgelegten und von der Klägerin bei der Bezifferung ihrer Klageforderung verwendeten Einkommensnachweise kein Ausforschungsbeweis vorliege.

Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte Beschwerde eingelegt, der das AG nicht abhalf. Beim OLG hatte das Rechtsmittel Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Kosten des Sachverständigen seien niederzuschlagen, weil sie bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, § 21 Abs. 1 S. 1 GKG. Die vorgenommene Einholung des Sachverständigengutachtens zu einer Rechtsfrage stelle eine unrichtige Sachbehandlung dar.

Das OLG stellte klar, dass nicht jeder Verfahrensfehler per se die Voraussetzungen des § 21 GKG erfülle, sondern nur ein schwerwiegender Verfahrensverstoß, der offen zutage trete (vgl. BGH, Beschl. v. 10.3.2003 - IV ZR 306/00, NJW-RR 2004, 1294; v. 4.5.2005 -XII ZR 217/04, MDR 2005, 956).

Einen solchen offen zutage tretenden schwerwiegenden Verfahrensverstoß habe die Rechtsprechung regelmäßig in Fällen bejaht, in denen es um die Niederschlagung von Sachverständigenkosten gegangen sei, die mit der Beantwortung von Rechtsfragen betraut worden seien. Darin liege regelmäßig eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. 21 Abs. 1 S. 1 GKG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6.6.2006 - 23 W 26/06, NJW-RR 2007, 1151; OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.10.2003 - 9 UF 221/02, FamRZ 2004, 1662; OLG Naumburg, Beschl. v. 27.6.2002 - 14 WF 83/02, FamRZ 2003, 385).

Dieser Sachlage entspreche die Verfahrensweise des AG im vorliegenden Fall.

Die Klärung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des Beklagten sei, zumal die aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlichen Angaben nicht streitig, sondern allenfalls schwer verständlich gewesen seien, offensichtlich eine Auslegungs- und Rechtsfrage. Es sei ausschließlich um die rechtliche Bewertung der aus den Unterlagen des Beklagten ersichtlichen Angaben im Hinblick auf die Höhe des Unterhalts gegangen. Diese Bewertung sei ureigene Aufgabe des Gerichts, das sich hierbei nicht auf Angaben von Sachverständigen, sondern nur auf gesetzliche Vorschriften, von der Rechtsprechung herausgearbeitete Rechtsgrundsätze und gültige Unterhaltsleitlinien stützen dürfe.

 

Link zur Entscheidung

OLG Naumburg, Beschluss vom 29.12.2009, 4 WF 59/09

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