Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Die Vereinbarung eines Nießbrauchs kann im Einzelfall auch gestaltungsmissbräuchlich sein. Dies ist z. B. der Fall, wenn Eltern ihrem minderjährigen Kind ein zeitlich befristetes Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück bestellen, welches das Kind anschließend an seine Eltern zurückvermietet.
Umstritten ist, ob die Bestellung eines zeitlich befristeten Nießbrauchs an einem vermieteten Grundstück durch Eltern zugunsten ihrer bei Bestellung noch minderjährigen Söhne steuerlich anzuerkennen ist, wenn das Grundstück langfristig bis zur Beendigung des Nießbrauchs an eine von den Eltern beherrschte GmbH vermietet wird. Im entschiedenen Streitfall hat das FG Berlin-Brandenburg dies verneint, da es bei der Nießbrauchseinräumung in erster Linie um die Ausnutzung der Freibeträge der Söhne oder zumindest des Progressionsgefälles zwischen Eltern und Söhnen ging, so dass Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO vorlag. Auch der Umstand, dass die Eltern das Grundstück im Rechtssinne nicht für sich selbst benötigen, sondern für eine GmbH, die sie bei wirtschaftlicher Betrachtung aber kontrollieren, macht bei der Prüfung, ob Missbrauch i. S. v. § 42 AO vorliegt, nach Auffassung des FG keinen Unterschied. Entscheidend ist, dass die Eltern das Grundstück für die betrieblichen Zwecke ihrer GmbH brauchen und derjenige, der ein Grundstück selbst benötigt, es bei wirtschaftlich sinnvoller Verfahrensweise nicht unentgeltlich (zunächst) einem anderen überlässt.
Maßgeblich für die Nichtanerkennung des Nießbrauchs war für das FG, dass bei der Prüfung der jeweiligen Kriterien die von den Eltern beherrschte GmbH nicht wie eine fremde dritte Person mit von den Eltern unabhängiger Willensbildung angesehen werden kann. Entsprechend würde die zeitlich befristete Übertragung des zeitlich identisch unkündbaren Mietvertrags zwischen Eltern und GmbH auf die Kinder unwirtschaftlich, umständlich, gekünstelt und überflüssig erscheinen und sich lediglich als formale Maßnahme (zur Steuerersparnis) erweisen.
Dagegen hat der BFH Gestaltungsmissbrauch verneint, wenn der Steuerpflichtige eine Wohnung von seiner Mutter erwirbt, sie gleichzeitig an sie vermietet und ihr zur Sicherung des Mietverhältnisses ein Nießbrauchsrecht einräumt. Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn ein im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumtes, unentgeltliches Wohnungsrecht gegen Vereinbarung einer dauernden Last aufgehoben und gleichzeitig ein Mietverhältnis mit einem Mietzins in Höhe der dauernden Last vereinbart wird. Denn hier stellt der Vermieter den Nutzungsberechtigten im Ergebnis durch ein Entgelt für die Aufgabe des Rechts so, als ob dieser unverändert sein Nutzungsrecht (unentgeltlich) ausüben würde.
Kein Gestaltungsmissbrauch
Dagegen ist es nicht gestaltungsmissbräuchlich, wenn auf die Ausübung eines im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung eingeräumten unentgeltlichen Wohnungsrechts verzichtet und stattdessen zwischen dem Übertragenden und dem neuen Eigentümer des Grundstücks ein Mietvertrag geschlossen wird. Hier hindert der Fortbestand des dinglichen Wohnungsrechts allein nicht die Wirksamkeit des Mietvertrags.