Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 88
Die Auseinandersetzung des Nachlasses ist im Dritten Teil des ADL geregelt. Es bestehen zwei Formen der Nachlassteilung: die Teilung durch die Erben selbst (private Teilung – privat skifte) und die Teilung durch das Nachlassgericht (öffentliche Teilung – offentlig skifte). In allen Fällen ist die Mitwirkung eines Gerichts erforderlich. Dabei ist das Gericht erster Instanz als Nachlassbehörde tätig (§ 83 ADL). Örtlich zuständig ist nach Maßgabe von § 84 ADL das Gericht in dem Gerichtskreis, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes lebte, bzw. jener Gerichtskreis, in dem sich der Erblasser im Todeszeitpunkt aufhielt. Hat trotz bzw. nach einer uskifte eine Auseinandersetzung von Nachlassaktiva zu erfolgen, ist das entsprechende Gericht am Wohnsitz des überlebenden Ehegatten bzw. Lebensgefährten zuständig. Hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Wohnsitz außerhalb Norwegens, ist die zuständige Nachlassbehörde das Stadtgericht Oslo (Oslo tingrett).
Das Gericht kann nach Maßgabe von § 92 Abs. 1 ADL den Erben dazu bevollmächtigen, Einsicht in die Vermögensverhältnisse des Erblassers zu nehmen. Nach § 92 Abs. 2 ADL kann ein überlebender Ehegatte oder Lebensgefährte, der ein gemeinsames Kind mit dem Verstorbenen hatte, hat oder erwartet, auch ohne gerichtliche Bevollmächtigung Einsicht nehmen.
I. Aufgebot (proklama)
Rz. 89
Die Erben können sich zunächst eine Übersicht über die Verpflichtungen des Erblassers dadurch verschaffen, dass ein Aufgebot (proklama) erlassen wird. Dabei werden die Gläubiger in Form einer Mitteilung dazu aufgefordert, ihre gegenüber dem Erblasser bestehenden Ansprüche geltend zu machen. In Fällen, in denen der Nachlass öffentlich geteilt werden soll, erlässt das Gericht das Aufgebot. Das Gericht kann auf Antrag eines Erben ein Aufgebot auch dann schon erlassen, bevor die Entscheidung gefallen ist, ob der Nachlass privat oder öffentlich geteilt werden soll (§ 93 ADL). Der Erlass eines Aufgebots ist auch in den Fällen von uskifte (§ 20 bzw. § 35 ADL), in denen der überlebende Ehegatte bzw. der nichtverheiratete Lebensgefährte persönlich für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen haftet, möglich.
Rz. 90
Eine proklama muss nach § 101 ADL den Namen, die Geburtsnummer und den letzten Wohnsitz des Erblassers enthalten, weiterhin eine Aufforderung an die Gläubiger, ihre Forderungen fristgerecht anzumelden, sowie die Information, dass nach Ablauf der Frist Forderungen nicht mehr berücksichtigt werden. Die Verkündung erfolgt im norwegischen Staatsanzeiger (Norsk Lysningsblad) und durch eine zweimalige Veröffentlichung in einer gewöhnlichen Tageszeitung am Ort des letzten Wohnsitzes des Erblassers (§ 101 Abs. 3 ADL).
Forderungen sind im Falle einer öffentlichen Nachlassabwicklung dem mit der Abwicklung betrauten Gericht oder gegenüber dem vom Gericht ernannten Nachlassverwalter, im Falle einer privaten Nachlassabwicklung einer in Norwegen wohnhaften Person gegenüber, anzumelden (§ 101 Abs. 2 ADL).
Rz. 91
Die Frist zur Anmeldung von Forderungen beträgt sechs Wochen nach der zuletzt erfolgten Veröffentlichung. Nicht fristgerecht angemeldete Forderungen entfallen vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Bestimmungen (§ 102 Abs. 1 ADL). Das Aufgebot entfaltet keine Auswirkungen auf Forderungen, die auf einem Eigentumsrecht beruhen. Dasselbe gilt für Pfand- oder Zurückbehaltungsrechte.
II. Private Teilung
Rz. 92
Die Nachlassabwicklung erfolgt in Norwegen zumeist im Rahmen einer privaten Nachlassauseinandersetzung. Eine solche setzt nach § 116 Abs. 1 ADL voraus, dass zumindest einer der Erben, der volljährig sein muss, gegenüber dem Gericht erklärt, dass er die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten persönlich übernimmt. Geben mehrere Erben eine solche Erklärung ab, haften sie jeweils in vollem Umfang und solidarisch. Die übrigen Erben haften hingegen allein innerhalb der Wertgrenze ihres eigenen Erbes.
Betragen die Nachlassaktiva schätzungsweise weniger als das Dreifache des Grundbetrages der norwegischen Sozialversicherung (gegenwärtig umgerechnet etwa 31.000 EUR), wird die Haftung auf den Wert der Nachlassaktiva, abzüglich der Beerdigungskosten, begrenzt (§ 116 Abs. 2 ADL).
Bei Beteiligung minderjähriger Erben muss der Vormund einer privaten Nachlassauseinandersetzung zustimmen. Ist keiner der Erben volljährig, kann eine private Nachlassauseinandersetzung ohne vollständige Haftungsübernahme erfolgen. Die Erben haften in diesem Fall nur innerhalb der Wertgrenze ihres eigenen Erbes (§ 116 Abs. 3 ADL).
In Ausnahmefällen kann die Haftung eines Erben gegenüber einzelnen Gläubigern für den Fall, dass die Nachlassmittel nicht zur Abdeckung sämtlicher Verbindlichkeiten des Erblassers ausreichen, nach Maßgabe von § 116 ADL reduziert werden, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Umfangs der Forderungen, der wirtschaftlichen Kraft des haftenden Erben und der übrigen Umstände die Forderung als unbillig belastend ansieht und der Erbe im Vorfeld seiner Haftungsübernahme keine Kenntnis von der Forderung hatte oder hätte haben müssen (§ 116 Abs. 5 ADL...