Gerhard Ring, Line Olsen-Ring
Rz. 11
Das norwegische Recht behandelt den Nachlass in internationalen Erbangelegenheiten grundsätzlich als eine Einheit: ein Erblasser, ein Nachlass, eine Teilung.
1. Heimatrecht des Erblassers
Rz. 12
Die Erbfolge war – wie dargelegt – in Norwegen gewohnheitsrechtlich dem "Heimatrecht" (hjemlandslov) des Erblassers unterstellt. Das Heimatrecht knüpfte aber nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an den festen Wohnsitz (Domizil) des Erblassers an. Der Wohnsitz befindet sich in dem Land, in dem der Erblasser sich niedergelassen und seinen Lebensmittelpunkt begründet hat. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn er die Absicht hat, dort seinen dauernden Aufenthalt zu nehmen. Der Nachlass von Ausländern mit letztem Wohnsitz in Norwegen wurde also nach norwegischem Recht behandelt. Auch wenn es in einigen Fällen sowohl das Interesse des Erblassers als auch das Interesse der Erben sein mochte, das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsbürger der Erblasser war, wurde dem Erblasser nach norwegischem Recht eine solche Wahlmöglichkeit nicht zugebilligt. Das Recht des letzten Wohnsitzes (Domizil) wurde als verbindliches Gewohnheitsrecht angesehen, womit ein Abweichen von diesem Grundsatz einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft hätte. Auch wenn teilweise vertreten wurde, dass eine Wahl des Erbstatuts de lege lata akzeptiert werden müsste, stand dem entgegen, dass es im formalisierten Bereich des Erbrechts klarer gesetzlicher Regeln für die Ausgestaltung eines solchen Wahlrechts bedurft hätte.
2. Regelung im neuen Erbgesetz (ADL)
Rz. 13
Das Expertengremium hatte auch das Mandat, zweckmäßige international-privatrechtliche Regelungen zum Erbrecht vorzuschlagen. Ziel war hier u.a. ein stärkerer internationaler Gleichklang im Hinblick auf Rechtswahlregelungen.
Rz. 14
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Die neuen kollisionsrechtlichen Regelungen finden sich in den §§ 78, 79 ADL. |
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Soweit nichts anderes aus einem Übereinkommen mit einem anderen Staat folgt, soll das Erbrecht des Staates zur Anwendung gelangen, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 78 ADL). Insoweit wird am tradierten grundsätzlichen Anknüpfungskriterium des norwegischen Rechts (Heimatrecht) festgehalten. |
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Nach § 79 ADL wird dem Erblasser allerdings eine gewisse Rechtswahlmöglichkeit eingeräumt – wodurch die vor Erlass des ADL bestehenden Unklarheiten entfallen sind. Nach § 79 Abs. 1 ADL kann der Erblasser durch ausdrückliche testamentarische Bestimmung als Erbstatut das Recht des Staates wählen, dessen Staatsangehöriger er zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes war. "Ausdrücklich" soll in diesem Zusammenhang bedeuten, dass es nicht ausreicht, dass das Testament in einer bestimmten Sprache verfasst ist, oder dass generelle Bezeichnungen verwendet werden. |
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Die Rechtswahlmöglichkeit setzt voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt des Todesfalles nicht norwegischer Staatsbürger ist. Sie wird außerdem in § 79 Abs. 2 ADL insoweit begrenzt, als das Erbrecht eines Ehegatten oder eines nichtehelichen Lebensgefährten (sog. samboer) aufgrund einer entsprechenden Rechtswahl grundsätzlich nur dann eingeschränkt werden kann, wenn der Betreffende vor dem Tod des Erblassers von der Rechtswahl Kenntnis erlangt hatte. |
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Nach der international-prozessrechtlichen Vorschrift des § 85 ADL kann die Durchführung der Nachlassauseinandersetzung – vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung in einem internationalen Übereinkommen – vor einer norwegischen Nachlassbehörde (skiftemyndighet) verlangt werden, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Wohnsitz in Norwegen hatte (§ 85 Abs. 1 ADL). Wenn der Wohnsitz im Ausland belegen war, dort aber keine Nachlassauseinandersetzung beantragt worden ist, kann die Auseinandersetzung im Hinblick auf in Norwegen befindliches Vermögen gleichermaßen auf einen entsprechenden Antrag hin in Norwegen durchgeführt werden. Voraussetzung ist in diesem Fall allerdings, dass die norwegische Nachlassbehörde eine solche Vorgehensweise als zweckmäßig erachtet (§ 85 Abs. 2 S. 1 ADL). Dasselbe gilt für im Ausland befindliches Vermögen, wenn der Erblasser die norwegische Staatsangehörigkeit besaß oder im Zeitpunkt seines Todes in Norwegen seinen allgemeinen Gerichtsstand hatte (§ 85 Abs. 2 S. 2 ADL). |