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In Norwegen gilt nach überwiegender Ansicht[549] die Sitztheorie.[550] Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit[551] musste jedoch auch Norwegen den Zuzug europäischer Gesellschaften akzeptieren.[552] Vor diesem Hintergrund wird inzwischen verstärkt die Ansicht vertreten, dass anstelle der Sitztheorie nun generell – also sowohl auf norwegische Gesellschaften als auch auf europäische Gesellschaften und außereuropäische Gesellschaften – die Gründungstheorie zur Anwendung kommen solle.[553]

Dieser Ansicht hat sich aber der Gesetzgeber nicht angeschlossen. Vielmehr vertrat er zu der ersatzlosen Streichung des Erfordernisses einer Sitzangabe im Gesellschaftsvertrag im Jahre 2018 die Auffassung, dass damit keine Möglichkeit zur Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes aus Norwegen heraus einhergehe.[554] Damit hat er sich – jedenfalls im Hinblick auf norwegische Gesellschaften – für die Sitztheorie ausgesprochen und einer generellen Geltung der Gründungstheorie eine Absage erteilt.[555]

 

Rz. 182

Die AS muss daher stets ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Norwegen haben. Wenn sie ihren Verwaltungssitz aus Norwegen in einen anderen Staat verlegt, führt dies zum Erlöschen der AS, da Norwegen einen solchen Wegzug nicht akzeptiert.[556]

[549] Siehe Mörsdorf, NTS 2009:1–2, 28, 30.
[550] Bråthen, in Festskrift til Helge Johan Thue 70 år, S. 198, 199, und Mörsdorf, NTS 2018:1, 1, 5 ff.
[551] Centros, Urt. v. 9.3.1999 in Sachen C-212/97, Überseering, Urt. v. 5.11.2002 in Sachen C-208/00, und Inspire Art, Urt. v. 30.9.2003 in Sachen C-167/01.
[552] Mörsdorf, NTS 2009:1–2, 28, 34. Siehe zu der dadurch angestoßenen Reform des ASL Mörsdorf, RIW 2012, 211, 212, und zur Fortführung der Reformen Mörsdorf, RIW 2013, 824, 825.
[553] Mörsdorf/Halvorsen, NTS 2016:4, 1, 6 und 15, Cordes/Stenseng/Lenda, S. 232 und 236, unter ausdrücklicher Aufgabe der früheren Auffassung, Cordero-Moss, S. 320, G. Woxholth, S. 96, und Bråthen, S. 46; siehe auch das Insolvenzgericht Oslo (Oslo byfogdembete) in einem vergleichsweise jüngeren Urt. v. 20.9.2004 in Sachen TOBYF-2004–990 zu einer Gesellschaft, die nach dem Recht von Panama gegründet war, aber ihren Verwaltungssitz in der Schweiz hatte, und auf die das Gericht – explizit gemäß der Gründungstheorie – das Recht von Panama angewendet hatte.
[554] Prop. Nr. 100L, 2017–2018, S. 52.
[555] Siehe im Einzelnen Mörsdorf, IWRZ 2019, 45 f.
[556] Mörsdorf, IWRZ 2019, 45.

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