1 Leitsatz

Die bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG auf den Vertragsschluss folgenden Maßnahmen des Käufers zur Erfüllung des Vertrags können Indiz für den unbedingten Entschluss zum Erwerb der Immobilie, aber auch Ausdruck geübter Vertragstreue, sein.

2 Normenkette

§ 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG

3 Das Problem

Notarin B beurkundet am 12.3.2008 ein von K gegenüber Verkäuferin V abgegebenes Vertragsangebot zum Kauf eines Wohnungseigentums für 87.500 EUR. Das Sondereigentum ist 55 m2 groß und vermietet. V erklärt am 20.3.2008 die notarielle Annahme des Angebots. Am 19.5.2008 nimmt K zur Finanzierung des Kaufpreises ein Bankdarlehen i. H. v. 87.940 EUR auf. Am 24.6.2008 beurkundet B eine Grundschuldbestellung zugunsten der kreditgebenden Bank. Im Jahr 2013 nimmt K die V und die Vermittlerin des Kaufvertrags wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung und sittenwidriger Überteuerung des Kaufpreises gerichtlich auf Schadensersatz und Rückabwicklung in Anspruch. Der Rechtsstreit endet am 31.8.2015 mit einem Vergleich, durch den K 9.000 EUR erhält. Mit der im Januar 2018 erhobenen Klage begehrt K die Verurteilung der B zur Zahlung von 78.500 EUR nebst Zinsen sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht. K macht geltend, B habe vor der Beurkundung des Kaufvertrags die Wartepflicht gem. § 17 Abs. 2a BeurkG a. F. nicht eingehalten. Er habe den Vertragstext nicht vorab erhalten und insbesondere den Kaufpreis erst bei der Beurkundung erfahren. Das LG weist die Klage ab. Das Berufungsgericht weist die Berufung zurück. Mit der Revision verfolgt K seine Anträge weiter.

4 Die Entscheidung

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beurkundung des Vertrags habe unter Missachtung der Frist des § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG a. F. den in dem für den beteiligten Verbraucher (K) nachteiligen Vertrag liegenden Schaden bewirkt. Ein Notar könne sich zwar darauf berufen, dass, wenn er die Beurkundung abgelehnt hätte, der Käufer den Vertrag nach Ablauf der Frist genauso hätte vornehmen lassen. Dem Käufer obliege hier eine sekundäre Darlegungslast. Zulasten des Käufers sei es auch zu bewerten, wenn ihm vertraglich ein Rücktrittsrecht mit einer die gesetzliche Regelfrist von 2 Wochen überschreitenden Frist eingeräumt worden sei und er hiervon keinen Gebrauch gemacht habe. Auch danach komme aber eine Haftung des B in Betracht. Im Fall habe K nämlich unter Beweis gestellt, das Wohnungseigentum nicht gekauft zu haben, hätte er den Kaufpreis vor der Beurkundung am 12.3.2008 gekannt. Auf diesen Vortrag des K sei das OLG rechtsfehlerhaft nicht eingegangen. Ferner sei es dem Beweisantritt des K rechtsfehlerhaft nicht nachgegangen.

Hinweis

  1. Der Senat wiederholt seine bekannte Rechtsprechung und wendet sie im Fall an. Im Kern geht es bei der Falllösung allein darum, dass das OLG die Ehefrau des K nicht anhören wollte. Gegebenenfalls nahm man an, ihr nicht zu glauben, egal was sie sagt. Diese Einschätzung ist aber nach § 286 Abs. 1 ZPO erst zulässig, wenn man eine Person anhört. Hier erlebt man manchmal sein blaues Wunder. In jede Richtung. Manchmal sagt ein Zeuge zwar 1:1, was man von ihm erwartet. Häufig sagt er aber auch etwas anderes oder gar das Gegenteil. Es lohnt daher immer, Zeugen zu hören.
  2. Wenn der Notar um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung ersucht wird, muss er klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag i. S. d. § 17 Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist. Verbleiben hiernach Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der Notar den sichersten Weg wählen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln. Auf die Einhaltung der Wartefrist des § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG ist auch in diesem Fall hinzuwirken.

5 Entscheidung

BGH, Urteil v. 22.4.2021, III ZR 164/19

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